Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
Vom Netzwerk:
nach und wägt ab und hat von daher weniger Bodenhaftung als andere.« Er brach ab. »Ich rede Unsinn, weil ich mich nicht sonderlich gut ausdrücken kann.«
    »O doch, das können Sie. Reden Sie nur weiter.«
    »Da Shelly sich nicht ablenken lässt und alles von dort oben betrachtet, sieht er die Dinge so, wie sie wirklich sind. Wie alles zusammenpasst. Und darum ist er ein prima Detective. Der beste, um ehrlich zu sein, aber das macht ihn auch zu einem einsamen Wolf. Darauf wollte ich wohl hinaus, als ich sagte, Shelly würde durchs Universum fliegen.«
    »Sie haben gesagt, dass er das nachts tut.«
    »Ich finde, dass Nächte sehr einsam sein können.« Koslowski bremste, gab Gas, bremste wieder, als wollte er so richtig in Schwung kommen, und bretterte an einer Pferdekutsche vorbei, deren Insassen uns mit weit aufgerissenen Augen anstarrten.
    »Und was ist mit dem Einhorn?«, fragte ich. »Was haben Sie damit gemeint?«
    Er fuhr auf die mittlere Spur und warf mir einen kurzen Blick von der Seite zu.
    »Verdammt, Dixie, das habe ich doch nur gesagt, damit es etwas blumiger klingt.«
    Ein paar Minuten später erreichten wir den Tatort. Auf der Straße warteten ein paar Schaulustige. Koslowski parkte neben dem Bordstein. Ich nickte und legte die Hand auf den Türgriff.
    »Danke für Ihre Einschätzung, Koslowski. Und wenn ich wieder im Süden bin, werde ich bei der National Association for Stock Car Auto Racing ein gutes Wort für Sie einlegen.«
    Er tippte mir auf den Arm, bevor ich ausstieg. »Da ist noch etwas, was Sie über Shelly wissen sollten.«
    »Was denn?«
    »Sie wissen ja, dass er immer so traurig dreinschaut, als käme er gerade von der Beerdigung eines Freundes?«
    »Kann man kaum übersehen.«
    »Ich habe ihn vor dreißig Jahren kennengelernt. Wenn er damals das O’Hearns betrat, eine Bullenkneipe, wo es immer stockduster war, kam es einem vor, als würde die Sonne aufgehen. Waltz lachte oder grinste immer bis über beide Ohren. Und sein Lachen und die gute Laune, die er ständig hatte, wirkten ansteckend.«
    »Was hat ihn so verändert?«
    »Das weiß keiner. Eines Tages ist er mit dieser griesgrämigen Miene aufgetaucht, die Sie kennen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.«
    *
    Das alte Apartmentgebäude hatte straßenseitig vier Eingänge. Davor hatten sich so viele Zaungäste versammelt, dass zwei Polizisten in Uniform sie in Schach halten mussten, während ihr Kollege den Tatort mit einem gelben Absperrband sicherte. Mehrere Frauen weinten und hielten sich in den Armen, was nicht unbedingt hieß, dass sie das Opfer kannten. Manchmal weinen die Menschen und brauchen Trost, weil sie es nicht fassen können, dass das Grauen in ihrer Mitte weilt.
    Ich stieg aus dem Wagen, zwängte mich, so höflich es eben ging, durch die Schaulustigen, duckte mich, ging unter dem Absperrband durch und hielt auf den Hausflur zu.
    »He, Sportsfreund«, rief ein kräftiger Streifenpolizist und tippte mit seinem Schlagstock an meine Brust. »Sie haben hier nichts zu suchen.«
    »Ich muss da rein. Ich bin …«
    »Gehen Sie hinter das Absperrband.«
    Jemand stieß einen schrillen Pfiff aus. Wir fuhren herum. Waltz stand mit Daumen und Zeigefinger im Mund auf der Veranda. »Er kann durch, Bailey«, rief er, zeigte auf mich und hob den Daumen, ehe er wieder in dem Apartment verschwand.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Bailey. Ich ging den Hausflur hinunter und betrat die Wohnung in dem Moment, als die Mitarbeiter der Gerichtsmedizin gerade aus einem Raum kamen, der meiner Einschätzung nach die Küche sein musste. Drinnen lehnte Folger, die nicht im Weg herumstehen wollte, an der Wand und sah zu, wie ein Fingerabdruckspezialist einen latenten Abdruck prüfte. Waltz stellte sich neben mich und fuhr mit einem Taschentuch über sein Gesicht.
    »Worum geht es hier, Shelly? Was ist passiert?«
    »Eins von diesen Verbrechen, die mir die vorzeitige Pensionierung so richtig schmackhaft machen.«
    Ich sah den Leichnam auf dem Boden erst, als die Sanitäter versuchten, ihn auf eine fahrbare Krankentrage zu hieven. Das im Bauch steckende Gesicht war mit grellrotem Blut besudelt. Das weibliche Opfer hatte überall tiefe, blutverkrustete Schnittwunden, die sich stark von der blassen Haut abhoben. Der Gestank von Blut und Exkrementen war überwältigend.
    »Dass mir keiner in eine der unzähligen Blutlache tritt«, warnte einer der Sanitäter, der sich hinunterbeugte und die Hände unter das Opfer schob. Einen Leichnam

Weitere Kostenlose Bücher