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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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tat nie etwas ohne Hintergedanken. Wollte sich mein Bruder auf diese Weise von mir verabschieden? Wollte er mir, seinem kleinen Bruder, ein letztes Mal eine Kopfnuss verpassen, ehe das andere Ich, das schon in ihm steckte, die Oberhand gewann? Was genau bezweckte Jeremy mit Parks Nachricht?
    » Wir könnten genauso gut vom Gegenteil ausgehen«, fand Waltz. »Nehmen wir mal an, Ridgecliff glaubt, Sie sind außer Prowse der Einzige, der weiß, wie er tickt. Vielleicht will er Sie hier haben. Vielleicht kann er nur weitermachen, wenn Sie in New York sind.«
    Ich starrte ihn an, denn ich begriff nicht, was er damit andeuten wollte.
    »Mann, was sind Sie begriffsstutzig, Ryder«, schalt Folger. »Waltz will damit sagen, dass Ridgecliff Sie hierher gelockt hat, um Sie zu töten.«
    »Was? Wieso?«
    »Könnte doch sein, dass er denkt, er wäre dann frei.«
    Die Tür flog auf. Ein Bulle namens Perlstein stürmte atemlos in den Raum und wedelte mit einem Blatt voller Notizen herum. »Wir haben einen Anhaltspunkt bezüglich Ridgecliff. Zumindest wissen wir jetzt, wo Ridgecliff sich versteckt hat. In einer Hüttensiedlung von Obdachlosen, unten bei den Docks. Hat in einem Karton geschlafen. Die Kollegen vom Revier dort haben mit ein paar Leuten gesprochen, die sich an ihn erinnern. Und die Jungs von der Spurensicherung haben seine Fingerabdrücke auf einer Müslischachtel und einer Limonadenflasche gefunden.«
    »Er versucht, sich unter die Obdachlosen zu mischen«, sagte Cluff. »Er zieht schäbige Klamotten an, verändert sein Aussehen und schmiert sich Dreck ins Gesicht. Und schon kann er in Kirchen oder Suppenküchen essen. Und Geld schnorren.«
    »Ich muss die Fahndungsausschreibung ändern«, meinte Folger. »Was hatte er an, als er das letzte Mal gesehen wurde?«
    Mit einem Stirnrunzeln überflog Perlstein seine Notizen. »Kann man so nicht sagen. Einen grünen Regenmantel. Einen Overall. Einen blauen Pulli und karierte Hosen. Schwarze Stiefel. Ledersandalen. Rote Laufschuhe.«
    »So sieht die Hälfte aller Obdachlosen in New York aus«, merkte Waltz an, der keinen Hehl aus seiner Skepsis machte.
    »Na, wenigstens haben wir einen Anhaltspunkt«, verteidigte Folger sich. »Jeder Penner auf der Straße muss kontrolliert werden. In der Info über Ridgecliff sind seine babyblauen Augen vermerkt. Jeder Penner mit blauen Augen wird so lange festgehalten, bis er nachgewiesen hat, wer er ist. Alle Einsatzkräfte sollen extreme Vorsicht walten lassen. Dieser Typ hat einen schnellen Verstand und tötet wie eine Maschine. Wenn auch nur der vage Verdacht besteht, dass er etwas vorhat, wird auf ihn geschossen – und zwar ohne Erbarmen. Hat das jeder verstanden?«
    Alle stimmten zu.
    Die Nachricht, dass Jeremy gesichtet worden war, beendete das Meeting vorzeitig. Folger kümmerte sich darum, dass die Fahndungsausschreibung aktualisiert wurde und per Funk an die Streifenwagen ging. Cluff, Bullard und zwei andere fuhren in die Hüttensiedlung. Nur Waltz und ich blieben zurück.
    »Was kann ich tun?«, fragte ich. »Geben Sie mir irgendeine Aufgabe.«
    »Vielleicht sollten Sie die Stadt verlassen. Wenn dieser Kerl tatsächlich glaubt, zwischen Ihnen beiden bestünde eine wie auch immer geartete Beziehung, sind Sie in Gefahr, und zwar in größerer, als Ihnen …«
    Sein Handy klingelte. Er warf einen Blick aufs Display, murmelte Pelham und nahm das Gespräch an. Ich tat ganz unauffällig und hörte Puppe, Wann? und Wir sind gleich da. Als er die letzten Worte sprach, sah er mich an.
    *
    »Haben wir heute erhalten«, sagte Sarah Wensley, Pelhams Assistentin. Die zierliche Frau mit dem markanten Kinn spähte über ihre Brille und beäugte mich und Waltz. »Es ging zu Cynthias Händen, war aber an die Wahlkampfzentrale adressiert.«
    Wieder standen wir in diesem kleinen Büro, das als Telefonzentrale diente. Pelham klopfte an die Tür und gesellte sich zu uns. Sie trug einen roten Hosenanzug und einen weißen Schal, dessen Zipfel hinter ihr herflatterten. Allem Anschein nach freute es sie, in einen Raum zu kommen, in dem ausnahmsweise mal nicht hundert Leute auf sie warteten.
    »Heute hatte ich schon drei Lunchtermine. Wenn ich jetzt noch mal in einem Geflügelsalat herumstochern muss, verliere ich den Verstand, das schwöre ich. Was liegt an, Leute?«
    »Ich wollte den Polizisten gerade diese komische Puppe zeigen«, informierte Wensley sie.
    Sie zog eine rundliche, eiförmige Puppe aus der Tasche. Da ich direkt neben ihr stand und schon

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