Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
Vom Netzwerk:
zerknitterten Pass heraus und reichte ihn dem Polizisten. Der Bulle starrte durch Jeremys Brillengläser und musterte ihn, seine Augen und den Pass mit demselben kritischen Blick.
    Die Axt fuhr wieder herunter.
    Jeremy tat so, als beobachtete er einen vorbeiziehenden Taubenschwarm und interessiere sich nicht sonderlich für das, was gerade passierte. Ismael Rogmann, sein Zimmernachbar im Institut, sammelte nicht nur Menschenhände, sondern war auch ein erstklassiger Fälscher. Als erfolgreicher Geschäftsmann kannte Rogmann seine Konkurrenz und hatte den Namen eines anderen Meisterfälschers gegen dreizehn Gipsabdrücke von Albrecht Dürers Betenden Händen eingetauscht. Diese hatte er auf dem Boden ausgebreitet und dazwischen selig wie ein Kind geschlafen.
    Die Miene des Bullen entspannte sich. Er warf seinem Kollegen einen Blick zu, der Entwarnung signalisierte, und gab dem Portugiesen seinen Pass zurück. »Danke. Gracias … meine ich, Señor Caldiera. Wir mussten nur etwas überprüfen.«
    »Überprüfen? Muito bom.«
    Der Fahrer, den Jeremy auf Mitte zwanzig schätzte, schüttelte den Kopf und klopfte auf das Fahrzeugdach. »Komm schon, Pinelli. Der hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit diesem Ridgecliff. Lass uns was essen gehen.«
    Grunzend stieg der ältere Polizist in den Streifenwagen. »Von der Größe und dem Gewicht her passte er. Die Gesichtsform stimmt auch. Kann ja sein, dass Ridgecliff wie ein Penner aussieht und sich in einem ganz anderen Viertel herumtreibt, aber für mich ist jeder verdächtig, bis ich ihn überprüft habe.«
    »Tarde boa, chefe«, sagte Jeremy und winkte dem davonfahrenden Streifenwagen hinterher. Er hob seinen Becher auf, legte im Geiste die Axt weg und marschierte nachdenklich die Straße hinunter. Dies war nur ein unbedeutender Zwischenfall gewesen, doch er machte ihm bewusst, wie viele Bullen plötzlich unterwegs waren. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass ein paar von ihnen aus dem gleichen Holz geschnitzt waren wie der alte Sack, mit dem er es eben zu tun gehabt hatte. Typen wie der hatten schon alles gesehen und fanden jeden verdächtig. Carson zufolge gab es Bullen, die es riechen konnten, wenn jemand Dreck am Stecken hatte.
    Da beschloss er, von nun an eine Waffe bei sich zu tragen für den Fall, dass jemand versuchte, ihm in die Quere zu kommen. Selbstverständlich nicht so ein primitives Ding wie eine Axt, auch wenn sie angenehm handlich war. Er brauchte etwas Größeres, womit keiner rechnete …
    Und das einschlug wie ein Blitz.
    *
    Während ich eine geschlagene Stunde darauf wartete, dass Folger, Cluff und Bullard vom Lager der Obdachlosen zurückkehrten, lief ich nervös auf und ab. Folger legte die Jacke ihres grauen Kostüms ab und warf sie über den Stuhl neben meinem. Der Geruch von Seife und Parfüm stieg mir in die Nase, und ich erwischte mich dabei, wie ich den Rocksaum, der über ihre perfekten Knie rutschte, beobachtete.
    »Ridgecliff haben wir nicht gefunden, Ryder, aber die Leute dort behaupten, ihn jede Nacht zu sehen. Früher oder später taucht er dort schon wieder auf.«
    »Wir haben zwei Dutzend Leute vor Ort zur Beobachtung abgestellt«, meldete Bullard. »Und zwei verdeckte Ermittler im Hüttenlager. Den Typen krallen wir uns.«
    Da ich meinen Bruder kannte, war ich davon nicht überzeugt. Er hasste ungewaschene Menschen und trockenes Müsli. Ich saß in der Ecke und malte mir aus, wie mein Bruder, den ich zur Genüge kannte, wohl vorging. Meiner Meinung nach suchte er ein Obdachlosenlager auf, warf ein oder zwei Müslikartons weg und wählte ein paar psychisch labile Personen aus, die – nachdem er sie bezahlt oder irgendwie sonst überredet hatte – behaupteten, sie würden ihn regelmäßig sehen. Und Jeremy suchte garantiert nur Kandidaten aus, die auch glaubten, was sie da schwafelten.
    Die Polizisten verschwendeten ihre Zeit. Nichts machte Jeremy mehr Spaß, als Menschen zu täuschen und in die Irre zu führen. Ich musste endlich handeln und etwas unternehmen.
    Um Aufmerksamkeit zu erregen, stand ich auf, hob den Metallstuhl hoch und ließ ihn fallen. Die Gespräche verstummten blitzartig, und alle drehten die Köpfe in meine Richtung.
    »Er hängt nicht mehr in der Nähe vom Obdachlosenlager herum«, sagte ich. »Ausgeschlossen. Dort war er nur ein einziges Mal, um uns in die Irre zu führen.«
    »Und worauf gründet Ihre Einschätzung, Ryder?«, wollte Folger wissen.
    »Jedes Mal wenn man sich einbildet, man wüsste, wie er tickt, hat

Weitere Kostenlose Bücher