Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
Vom Netzwerk:
da?«
    »Ja.«
    »Wo waren wir stehen geblieben?«
    »In Burgund«, erwiderte sie ungeduldig.

 
    KAPITEL 24
     
    J ames und Martin Olivier saßen wieder in der schlichten Bibliothek des Châteaus, während Lance seine Mahlzeit einnahm und sich mit Max, seinem neuen Freund, ein paar Drinks genehmigte. Offenbar verband sie ein gemeinsames Interesse an Waffen.
    James hatte Martin ein wenig mehr über seinen Vater Edward erzählt und weshalb er ein so bedeutender Ornithologe gewesen war.
    »Er hat sicherlich ein Dutzend neuer Vogelarten entdeckt, sich jedoch gegenüber seinen wissenschaftlichen Kollegen niemals dazu geäußert.«
    »Aber warum nicht?«, fragte Martin. »Wenn er doch so sehr darauf bedacht war, die Lebewesen zu schützen?«
    »Wegen dieser Loyalitätsprüfung, die ich vorhin erwähnte.«
    »Loyalität zu wem und zu welchem Zweck?«
    James atmete tief ein. »Martin, die Wurzeln unserer Familie reichen zurück bis in die Zeit des heiligen Benedikt.«
    »Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass du diesen Namen nennst.«
    »Es gibt weniger als dreißig lebende Mitglieder des Ordens vom Goldenen Vlies.«
    »Des was?«
    »Ich nehme für mich nicht in Anspruch, alles über den Orden zu wissen«, sagte James. »Während vieler Kriege, Attentate, gebrochener Versprechen und bei all den durchschaubaren Allianzen und Übereinkünften und manchmal kurzlebigen Persönlichkeiten ist eins immer bestehen geblieben. Der Schutz dieses Besitzes war das Ergebnis des ausdrücklichen Befehls des Herzogs, der Burgund regierte und dessen Tochter hier, in diesen Mauern, wohnte. Ein Orden, der zugleich ein Auftrag wie auch die Aufrechterhaltung einer Gemeinschaft war, die sich, was ihre Ziele und ihren Umgang betraf, als Geheimbund verstand. Die Ritter prägten sein Bild in der Öffentlichkeit. Sie waren die attraktiven ritterlichen Wohltäter in ihrer prächtigen Aufmachung. Es war ein perfekter PR-Trick. Um was es tatsächlich ging, war so immens wichtig, dass selbst Könige, Päpste und Kaiser das Geheimnis wahrten.«
    »Diese Wälder? Geheim? Was verbarg sich hinter dieser Mauer, James? Gold, King Kong? Oder einfach nur die Tatsache, dass diese Bäume nicht gefällt wurden?«, fragte Martin.
    »Das ist richtig. Und es ist etwas Besonderes sogar für eine Gegend wie den Morvan, der sich mit dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Frankreichs brüstet. Aber in Anführungszeichen, denn in Frankreich wird jede Waldfläche über fünfundzwanzig Hektar extensiv genutzt. Holz, Zuckerrüben, Spargel, Wein. Ich denke, diese Form des Missbrauchs ist ein fester Bestandteil der französischen Kultur.
    »Okay, dann besitzt die Familie also ein ansehnliches Stück Wald.«
    »Der Punkt ist, wenn man etwa vierundzwanzig Hektar Wald besitzt, muss man einen Plan aufstellen, dem die örtlichen Behörden zustimmen müssen, einen Plan, der vorsieht, dass zwischen geraden Reihen angepflanzter Kiefern oder Pappeln, Eichen oder Ahornbäume genügend Platz für das Wachstum von der Allgemeinheit genutzter Früchte bleibt. Und in jeder Jahreszeit sind es neue Scharen, die in die Wälder strömen. Einige sind hinter Hasen her, andere hinter Wildschweinen, und noch andere suchen Pilze. Aus Gründen, die ich gleich erklären werde, blieb diesem Besitz, oder diesem Stück Land, wenn dir das lieber ist, von fast vierunddreißigtausend Hektar eine solche ständige lieblose Behandlung erspart.«
    »Vierunddreißigtausend Hektar?« Martin lehnte sich zurück, während sein Gehirn angesichts des enormen Wertes regelrecht streikte.
    Aber gleichzeitig regte sich bei ihm tiefe Besorgnis. Ein ermordeter Vater in Frankreich? Was würden die Behörden darüber denken, wenn es darum ging, die Erbschaftsangelegenheiten zu regeln, womit eigentlich sofort nach dem Tod hätte begonnen werden müssen? Hektisch begann er in Gedanken aufzuzählen. Steuern. Polizeiliche Ermittlungen. Betrug? Mein Erbe? Verdacht auf Verschwörung? Er wäre für immer im französischen Gerichtssystem gefangen.
    Er holte ein Taschentuch hervor und wischte sich damit über die Stirn.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte James, legte seine Tabakspfeife beiseite und schenkte ihnen beiden eine weitere Runde Sherry aus einer Flasche ein, die auf einem reich verzierten Tisch gestanden hatte, der dringend einer äußerst behutsamen und teuren Reparatur bedurfte. Die gesamte Inneneinrichtung litt unter erheblicher Vernachlässigung, wie Martin längst festgestellt hatte. Und schon wieder ein

Weitere Kostenlose Bücher