Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
Vom Netzwerk:
Kohlenstoff und Stickstoff, zahlreiche Isotope und Spuren von Gras oder Kräutern. Außerdem erhielten wir noch die Werte einer ersten chemischen Analyse, und die sind völlig anders als das, was wir erwartet haben.«
    »Und?«
    »Ich hatte einen Geistesblitz und rief einen Kollegen in Wien an. Es stellte sich heraus, dass unsere Untersuchungsergebnisse mit denen eines bestimmten Artefakts in der Schatzkammer der Wiener Hofburg übereinstimmen.«
    »Okay. Also?«
    »Es ist ein Artefakt, das sie Einhorn nennen, womit sie das Horn eines Einhorns meinen.«
    »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass die Österreicher einen Beweis dafür haben, dass es tatsächlich so etwas wie ein Einhorn gegeben hat?«
    »Ich sage nur, dass es dort ein Museum gibt, in dem ein Horn ausgestellt wird, das einmal im Besitz des Kaisers war. Es ist rundum vergoldet und gehörte vorher einer geheimen Sekte. Ein Chemiker hat es einmal vor Jahren untersucht und konnte sich nicht entscheiden, ob es von einem Narwal oder von irgendeiner bislang noch unbekannten Tierart stammt. Die Untersuchungsergebnisse wurden gespeichert und verschwanden dann in einem elektronischen Archiv. Meine Kontaktperson beim IW führte mit den Spektrometerwerten, die ich ihr übermittelte, einen Suchlauf durch, und es gibt anscheinend einen Treffer.«
    »Soll ich das jetzt so verstehen, dass Sie glauben, in diesem Moment wäre irgendwo da draußen ein Einhorn, wenn auch eins, das wahrscheinlich tot ist?«
    »Ja. Und wenn sie eins herstellen konnten, dann haben sie wahrscheinlich auch noch weitere produziert.«
    »Herstellen? Produzieren? Wovon reden Sie?«
    »Es wird Rückkreuzung genannt und bedeutet nichts anderes als die Rekonstruktion eines ausgestorbenen Wildtiers.«
    »Wie soll das gehen?« Simon war plötzlich hellwach.
    »Man kreuzt genügend Exemplare mit Eigenschaften, die in etwa denen ihres toten Verwandten entsprechen. Wenn man zum Beispiel das Steppenzebra mit nur ganz dünnen Streifen am Bauch über Generationen untereinander kreuzt, erhält man am Ende ein Tier, das eher aussieht wie ein Quagga. Und die domestizierten Rinder mit ihren wilden und schwereren Verwandten in Slowenien zu kreuzen, würde am Ende ein Tier mit zottigem Fell und rund dreihundert Pfund mehr an Fleisch auf den Rippen ergeben. Es wäre einem Auerochsen ziemlich ähnlich. Sie waren die in Europa und im Mittelmeerraum natürlich vorkommenden Büffel, wie sie vor dreißigtausend Jahren von Künstlern auf den Wänden der Höhle von Lascaux verewigt wurden.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass auch die noch existieren?«
    »Genetische Versionen davon, ja sicher. Man braucht dazu einige verwandte Nachkommen, genug Geld und Weideland und Wissenschaftler oder irgendwelche speziellen Motive, um herumzuexperimentieren, bis man das gewünschte Ergebnis erzielt. Ein paar zoologische Gärten sind in dieses Geschäft mit eingestiegen und gewiss auch eine ganze Reihe privater Tierreservate. Aber gewöhnlich wird so etwas bei Papageien gemacht und nicht bei großen Säugetieren.«
    »Welche Zoos in Europa sind daran beteiligt?«, fragte Simon. »Auch der in Wien?«
    »Nein. Nur die zoologischen Gärten in Berlin und München, aber vor vielen, vielen Jahren. Es hatte irgendwie den Ruch von Eugenik und kam, verständlicherweise, nach dem Sturz Hitlers ein wenig aus der Mode.«
    »Aber irgendwer verfolgt diesen Weg offenbar weiter? Vielleicht für einen Käufer am Persischen Golf?«
    »So scheint es. Die dazu nötige Technologie ist nicht viel anders als beim Klonen von Kühen oder Schafen zwecks Optimierung bestimmter Eigenschaften. Wir haben es hier nicht mit Züchtungen à la Jurassic Park zu tun, sondern mit der Kreuzung echter lebender Tiere.«
    »Demnach suchen wir also nach einem geheimen Zuchtprogramm oder einem darauf spezialisierten Labor, oder was? Es kann doch nicht allzu viele Orte geben, wo jemand ein Einhorn verstecken könnte, stimmt's?«
    »In einem Reagenzglas. Oder in einer Herde Rehe. Oder in einem ausgedehnten Waldgebiet am Rand einer Autobahn. Verdammt, oder in den Räumen einer stillgelegten Fabrik.«
    »Gosha, man hat übrigens einen Wagen der Wilderer gefunden.«
    »Wo?«
    »Auf dem Nivernais Plateau.«
    »Aber das ist doch genau die Region, über die wegen der Tierseuche eine strenge Quarantäne verhängt wurde.«
    »Ich weiß. Es ist möglich, dass ich morgen Ihre Hilfe brauche. Ach ja, und vielen Dank.«
    Simon drückte auf die Rautetaste. »Julia, sind Sie noch

Weitere Kostenlose Bücher