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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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handelte es sich um den Versuch, aus den objektiven Tatbestandsmerkmalen, also aus jenen Informationen, die messbar und wiegbar sind und durch andere externe Experten zur Verfügung gestellt werden, Verhalten herauszulesen und zunächst zu definieren.
    Wo war nun die Abgrenzung zur Psychiatrie? Jede halbwegs vernünftige Tätigkeit musste auch überprüfbar, wiederholbar und nachvollziehbar sein. Daher galt es die Frage zu klären, wer die Erkenntnisse der Verhaltensbeurteilung denn überprüfen könne, und das war und ist nun einmal die forensische Psychiatrie. Deren Material ist nämlich nicht das Verhalten, sondern „die Person des Tatverdächtigen beziehungsweise des Täters“, und das Werkzeug sind psychologische Test- und Messverfahren und unter anderem auch Explorationsgespräche. So war es nun möglich, ein und dieselbe Situation, nämlich ein Verbrechen, von zwei verschiedenen Disziplinen untersuchen zu lassen. So konnte die Verhaltensbeurteilung der Art und Weise, wie die Briefkuverts beschriftet und frankiert waren, und auch die Art und Weise, wie die Briefmarke aufgeklebt war, die Aussage zulassen, dass es sich um eine saubere, ordentliche, ja vielleicht sogar zwanghafte Person handelte. Und gleichzeitig stellte der forensische Psychiater bei der Untersuchung des Tatverdächtigen fest, dass dieser höchstgradig zwanghaft war, ja sogar im Vergleich zu allen anderen zwanghaften Menschen an der Spitze der Regeltreue zu suchen war.
    Ein wichtiger Schritt in der Tatortanalyse ist die Zuordnung des Verhaltens zu einer bestimmten Person. Ein Tatort kann ja verändert sein – durch Witterungsumstände oder aber durch eine zweite, mit der Tat überhaupt nicht in Zusammenhang stehende Person. Nehmen wir das Beispiel, dass jemand zufälligerweise an einen Ort kommt, wo ein Opfer aufgefunden wird, und aus einem Gefühl der Pietät deckt er das Opfer zu. Würden wir das Zudecken der Leiche nun interpretieren, würden wir das Verhalten einer unbeteiligten Person analysieren und eine falsche Schlussfolgerung daraus ziehen. Hätte aber derjenige, der das Opfer auch umgebracht hat, das Opfer zugedeckt, würde es unter Umständen etwas ganz anderes bedeuten. Wenn das Verhalten nun definiert ist, muss es mit vielen anderen Fällen verglichen werden, denn messen bedeutet in der Verhaltensbeurteilung vergleichen. Wer kann aber nun über ein bestimmtes Verhalten Auskunft geben? Was bedeutet es, wenn Opfer in einer degradierenden Art und Weise abgelegt sind? Was bedeutet es, wenn Opfer nach Tötungshandlungen zugedeckt oder umgedreht werden, wenn symbolische Handlungen durchgeführt worden sind, wie beispielsweise das Platzieren von verschiedenen Gegenständen am oder um das Opfer? Wenn Täter bei Vergewaltigungen bestimmte Phrasen verwenden, die mit der Vergewaltigung selbst nichts zu tun haben?
    All diese unterschiedlichen Formen lassen uns zunächst vermuten, dass kein Verbrechen gleich ist wie ein anderes. Das ist ein Irrtum. Auch Verbrechen sowie Menschen folgen in Teilen einem gewissen logischen Entwicklungsverlauf. Es wacht niemand in der Früh auf, begeht ein Tötungsdelikt, stellt für sich fest, dass es ein schlechter Tag war, geht zu Bett und sagt: „Ich mach’ das nie mehr wieder!“ Denn wenn er das Delikt begeht, muss er im Prinzip drei Entscheidungen treffen, ob er will oder nicht.
    Zunächst einmal entscheidet er, wer sein Opfer ist. Er kann eine Prostituierte töten, ein Kind kurz nach der Geburt, oder er kann einen Anschlag auf einen Politiker durchführen. Diese erste Kernentscheidung ist der erste Hinweis auf sein Bedürfnis. Die Art und Weise, wie er diese Person umbringt, reflektiert einen Teil seiner Fähigkeiten, mit einer Waffe, etwa einem Stich- oder Hiebwerkzeug, umzugehen. Die Art der Tötung beinhaltet aber auch eine Information, wie bedeutend für ihn die persönliche Beziehung zu seinem Opfer war. Persönlicher Hass, Wut und Aggression auf eine bestimmte Person werden ihn gemäß seinem Bedürfnis dazu treiben, bei der Tötungshandlung anders vorzugehen. So ist das mehrmalige Einschlagen mit verschiedenen Gegenständen auf den Kopf eines Opfers anders zu bewerten als das Erdrosseln.
    Aufgrund der vielen Vergleichsfälle kann man heute davon ausgehen, dass bestimmte Personengruppen häufig auf eine bestimmte Art und Weise umgebracht werden. Die häufigste Todesursache bei Prostituierten ist etwa ein Angriff gegen den Hals, Erstechen die zweithäufigste. Kleinkinder kurz nach der Geburt werden

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