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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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entweder ausgesetzt, sterben an Unterkühlung oder man erstickt sie. Erstochen werden sie kaum. Warum nicht? Wir müssen jene befragen, die es getan haben. Aber selbst wenn ich jemanden umgebracht und damit meine zweite Entscheidung in einem Verhalten dargelegt habe, muss ich, ob ich will oder nicht, noch eine dritte Entscheidung treffen. Was mache ich jetzt mit der Leiche? Und hier beginnt nun der eigentliche Teil der psychologischen Aufarbeitung, die von vielen angeblichen „Profilern und Täterprofilerstellern“ hoffnungslos unterschätzt wird. Nachdem man keine zwei Auffindungssituationen findet, die gänzlich ident sind, kann man wiederum nur versuchen, einzelne kleine Subentscheidungen zusammenzufassen, nämlich alle abgelegten und zugedeckten Leichen miteinander zu vergleichen, alle vergrabenen und bekleideten Leichen miteinander zu vergleichen, alle nackten und nicht zugedeckten Leichen miteinander zu vergleichen und so weiter. Jede einzelne Entscheidung muss jedoch wieder hinterfragt werden und abermals ist das Gespräch mit jenen, die es getan haben, sehr wichtig. Aber jeder Mensch tarnt sich. Woher soll ich wissen, ob er nicht lügt? Woher soll ich wissen, ob er sich nicht in der Normalität tarnt und selbst diese Tarnung schon wieder eine einzige Lüge ist? Indem ich mir ein und dasselbe Verhalten von zwei, drei, fünf oder zehn Menschen erklären lasse. Es müssten schon alle Befragten die gleiche Lüge erfinden, also kann man in der Regel den Lügner anhand seiner Handlung überführen. Es ist nicht entscheidend, was jemand sagt, sondern das, was er tut.

25.

    Wir müssen auf die entlarvenden Handlungen der Bestie zurückgreifen, denn ihre Tarnung ist zu perfekt. Sie tarnt sich hinter der Falschheit der Verantwortung und missbraucht doch ihre eigenen Kinder. Sie tarnt sich hinter der Gleichgültigkeit und doch scheint es das Maß aller Dinge zu sein, dem Eingeknickten nicht Hilfestellung anzubieten, sondern ihn in seiner schwachen Position noch mehr zu schlagen. Sie tarnt sich in ihrer Sprache, indem sie lügt und sich verstellt. Die Bestie gaukelt uns vor, wie traurig alles ist, und befriedigt ihren eigenen Narzissmus doch nur dadurch, dass sie die Schwachen noch schwächer macht. Die beste Tarnung liegt allerdings im Irrtum jener, die glauben, die Tarnung der Bestie erkennen zu können. Nichts ist wohl schlimmer, als erkennen zu müssen, dass man im guten Glauben an die Sache ausgenützt, missbraucht und schlussendlich gedemütigt worden ist.
    Shakespeare hält es uns vor Augen, dass der Herzog von Gloucester sich von seinem eigenen Bruder Clarence mit den Worten verabschiedet, er werde sich für ihn beim König verbürgen und einsetzen. Stattdessen ruft er selbst die Mörder des Bruders herbei und gibt ihnen die Depesche, um in den Tower vorzudringen. Die Mörder erzählen Clarence noch, wer ihnen den Auftrag gab, ihn zu töten, und er verfällt dem Irrtum zu glauben, dass es sein eigener Bruder nicht sein kann. Aber Shakespeare gibt uns auch die Waffe, um den Irrtum rechtzeitig erkennen zu können, in seinem Stück „Richard III.“ mit.
    „Oh Herren, bedenkt, der euch die Tat in Auftrag gab, wird für die Tat euch hassen“, lässt er Clarence im Antlitz des Todes sagen. Die Tarnung der Verlogenheit und Falschheit, des Irrtums und der Perfidie. Die Tarnung der Bestie liegt auch in der Tatsache, dass sie als solche nicht erkannt wird. Einer der größten Irrtümer, dem wir immer wieder unterliegen, ist die Annahme, dass das Böse sehr weit weg ist. Ein sudanesisches Sprichwort sagt: „Suche den Feind im Schatten deiner Hütte!“ Und so grotesk es klingt, aber die meisten Menschen, die umgebracht, verletzt, gequält und gedemütigt werden, könnten uns, wenn sie darüber sprechen könnten, sagen, wer ihnen das angetan hat. Es sind nicht die Fremden, es sind jene, denen wir vertrauen, denen wir uns anbieten und denen wir geholfen haben. Und trotzdem wird niemand mit dieser Tarnung geboren. Wann beginnen sich die Menschen diese Tarnung zuzulegen? Wo beginnt der Wandel zwischen Gut und Böse?
    Es gibt immer wieder Katastrophen, die wir nicht verhindern können. Die Natur schlägt manchmal unbarmherzig zu und tarnt sich auch, zum Beispiel in den schillerndsten Farben des Rotfeuerfisches. Und trotzdem sind seine Stacheln tödlich – oder gerade deshalb? Nehmen wir die fast betörende Schönheit mancher Orchideen, die den Duft der Ekstase verbreiten, Fliegen und andere Insekten anlocken, um sie

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