Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Betrag, den sie ihm aushändigte, war ihm aber zu wenig und so schlug er sie nieder, platzierte den Stuhl auf ihrem Hals und drückte mit dem eigenen Gewicht, auf dem Stuhl sitzend, die Atemwege des Opfers zusammen, sodass sie längere Zeit in einem qualvollen Zustand verharren musste. Immer wieder stellte er ihr die Frage, wo sie denn mehr Geld oder ihre Schmuckstücke hätte. Sie konnte aber nicht mehr anbieten, flehte um ihr Leben. Trotzdem ersticht sie der junge Mann, wirft in Verachtung die Geldtasche des Opfers auf die Stichwunde und deckt sie zu. Er distanziert sich von dem, was er getan hat. Der Rot-Kreuz-Sack ist eine mehr als symbolische Handlung, um sich selbst und allen anderen mitzuteilen, wo er der Meinung ist, dass seine Großmutter hingehört.
Mord ist nicht gleich Mord. Verhalten ist nicht gleich Verhalten und messen bedeutet vergleichen.
29.
Wer glaubt, erkennen zu können, was jemand in der Lage ist zu tun, hat die Tarnung nicht erkannt und ist zum potenziellen Opfer einer klassischen Lüge geworden, nämlich seiner eigenen. In diesem Zusammenhang erscheint der Satz: „Das traue ich dieser Person zu“ geradezu als Vorbote einer falschen Beurteilung. Nach welchen Kriterien wollen wir denn feststellen, was wir jemandem zutrauen? Aufgrund seines Aussehens, aufgrund dessen, was er gesagt hat? Es ist aber nicht entscheidend, was jemand sagt, sondern das, was er tut. Und selbst wenn wir versuchen, jemanden aufgrund seines Verhaltens zu beurteilen, liegt der Irrtum auch darin, dass wir versuchen, aufgrund unserer moralischen und ethischen Einstellung zu urteilen und als gut oder schlecht zu werten.
Damit hat jemand, der es darauf anlegt, andere zu täuschen, zu lenken, zu leiten und zu manipulieren, ein allzu leichtes Spiel. Er tarnt sich unter dem Deckmantel der Normalität und findet ideale Voraussetzungen, um das in die Tat umzusetzen, was wir grundsätzlich als verabscheuungswürdig ansehen. Er lügt, er betrügt, er stiehlt, er vergewaltigt und er mordet.
Das Bild entstand während eines Interviews in einem Hochsicherheitsgefängnis. Drei Männer, in der Mitte der kleinste, höflich lächelnd. Er stand im Verdacht und wurde auch verurteilt, Frauen angegriffen, niedergestoßen, niedergestochen und auch tödlich verletzt zu haben. Seine gewalttätigen Fantasien fanden ihr maximales Ziel, als er eine Prostituierte mit über 70 Messerstichen niederstreckte. Er erinnert sich heute noch gerne daran, in die leidenden Augen seines Opfers zu sehen, welches ihn inständig bittet, doch Hilfe zu holen.
Auf diesem Bild ist er flankiert von einem hochdekorierten und erfolgreichen forensischen Psychiater zu seiner Rechten, der zugegebenermaßen etwas bedrückt und mit vorne überhängenden Schultern, einer nicht mehr ganz modischen Krawatte und teilweise in den Hosensäcken verschwindenden Händen abgebildet ist. Zur Linken steht ein österreichischer Kriminalpsychologe mit geschlossenen Augen, was bei Blitzlichtaufnahmen nun einmal vorkommen kann, einem farblos wirkenden Gesichtsausdruck, mit einer extrem hässlichen Krawatte, zumal der ursprüngliche Krawattenbestand ja in den Staaten beim FBI zurückgeblieben war. Meiner üblichen Frage bei Vorträgen an das Auditorium folgend, wer denn nun von diesen drei Personen jener wäre, der für die Taten verantwortlich zeichnen könnte, ist der Ausgang in den meisten Fällen verblüffend, andererseits aber auch wieder logisch. Natürlich füge ich bei den Ausführungen der strafbaren Handlungen am Ende noch hinzu: „Aber bevor Sie sich entscheiden: Achtung, Falle!“ Wissend, dass ich mit dieser Manipulation noch einmal 20 Prozent der Unsicheren auf die falsche Seite locken kann. Ob es nun 100 Kriminalisten, Staatsanwälte oder Verhandlungsrichter sind, ob es Rechtsmediziner oder forensische Psychiater sind. In der Regel wird von zwei Dritteln der Anwesenden jener Kollege aus der forensischen Psychiatrie als Serienvergewaltiger bezeichnet, der sich rechts auf dem Bild von jenem befindet, der diese Handlungen tatsächlich begangen hat. Warum? Weil es ihm viele aufgrund seiner Haltung, seines Gesichtsausdruckes und vor allem der Tatsache, weil jemand anderer sagt: „Achtung, Falle“, schlichtweg zutrauen. Ein Urteil aufgrund des Gesagten. Allzu oft urteilen wir aber auch über andere Menschen, die wir noch nie zu Gesicht bekommen haben, weil wir Informationen von Dritten erhalten, weil wir etwas in der Zeitung lesen.
„Die Wahrheit ist keine Hure, die sich
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