Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
befriedigt und welche Fehler sie aus ihrer Sicht gemacht haben. Nun ist es aber wichtig festzuhalten, dass man nicht Äpfel mit Birnen und Kirschen mit Pilzen vergleichen kann. Kein Mord und kein Sexualdelikt gleicht einem anderen. Es sind die einzelnen Entscheidungen, die nicht nur die Persönlichkeit des Täters ausmachen, sondern bei Gleichheit oder ähnlichem Verhalten auch den Vergleich gestatten. Hinter gleichem Verhalten stecken auch gleiche Persönlichkeiten. Im Zuge dieser Tatortanalyse können von uns Strategien entwickelt werden, um bei entsprechender Kommunikation mit dem Täter, die ja über die Medien immer möglich ist, eskalierend oder deeskalierend einzuwirken.
Sollte die Tatortanalyse ergeben, dass es zwei oder mehrere Täter sind, kann man unter Umständen einen Keil zwischen diese Gruppe treiben, immer vorausgesetzt, dass man das Bedürfnis einer oder mehrerer der beteiligten Personen analysieren kann. Eine Tatortanalyse gibt einem die Möglichkeit, Informationen zu gewinnen, was am wahrscheinlichsten bei einer Hausdurchsuchung gefunden werden wird, weil die Erkenntnisse vom Tatort immer wieder mit den Aussagen der Täter verglichen wurden, um daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können, ob sich die Person mehr mit diesem oder mit jenem Hobby beschäftigte. All diese Erkenntnisse haben aber nichts mit den mehr oder minder „dubiosen“ psychologischen Täterprofilen zu tun. Täterprofile sind die Charakterbeschreibungen einer unbekannten Person in einer Art, dass sie die Merkmalscluster und einzelne Charakterzüge dieser Person so darstellen, dass sie sich von der Allgemeinheit abheben.
32.
Als wir von Dezember 1993 bis Oktober 1997 in Österreich massive Probleme damit hatten, die Mitglieder einer sogenannten Bajuwarischen Befreiungsarmee zu suchen, die in insgesamt sechs Fällen von Briefbombenanschlägen und zwei deponierten Rohrbomben und Sprengfallen eine zweistellige Anzahl von Personen verletzt und vier Menschen getötet hatte, wurde ein geradezu unglaublicher Boom auf das Erstellen von Täterprofilen ausgelöst. Es wurden dabei wilde Spekulationen angestellt, ob der Täter älter oder jünger sei, ob er im Norden oder Süden von Österreich zu Hause sei, aber derartige Charakterbeschreibungen haben noch nie einen kriminalpolizeilichen Fall geklärt. Das Prinzip zielt jedoch darauf ab, aufgrund eines bestimmten Verhaltens, welches bei der Durchführung des Verbrechens gezeigt wurde, auf ein Charaktermerkmal einer unbekannten Person zu schließen. Im konkreten Fall der Bajuwarischen Befreiungsarmee
– die sich schlussendlich als ein „Ein-Mann-Betrieb“ herausstellte, in dem ein hochgradig intelligenter Mann, der, gekränkt und zurückgezogen, im Sommer 1993 damit begonnen hatte, seine Kränkungserlebnisse mithilfe seiner hohen pragmatischen Intelligenz und mit seinem autodidaktisch erworbenen Wissen in die Realität umzusetzen – ging es nun darum, den „Chef“ so zu beschreiben, dass er auch der Allgemeinheit auffallen würde. Alle 27 Bomben waren exakt und sauber gebaut. Es konnten keine bautechnischen Fehler nachgewiesen werden, und man muss schon eine bestimmte Fähigkeit besitzen, neben Nitroglycerin Mikrolötpunkte zu setzen, ohne dabei selbst in die Luft zu fliegen. Es wacht aber niemand in der Früh auf und besitzt Bastelfähigkeiten, die ihn in die Lage versetzen, etwa ein Schiff in einer Flasche zu bauen oder ein historisches Gebäude mit Streichhölzern nachzufertigen.
Wie viele Leute gibt es im deutschsprachigen Raum bei etwa 100 Millionen Einwohnern, welche überhaupt in der Lage sind, im mikrosensorischen Bereich derartige Bastelfähigkeiten durchzuführen? Nun, wir scheinen ein Volk von Bastlern und Bohrern zu sein und so nehme ich einmal an, dass es vielleicht eine Million Menschen gibt, die in der Lage wären, rein von der manuellen Handlung her derartige Bomben herzustellen. Gleichzeitig schrieb die Bajuwarische Befreiungsarmee aber im Laufe der Jahre über 40 Seiten an Belastungsschreiben, einzeilig geschrieben, ohne Rechtschreibfehler, ohne Beistrichfehler, ohne Interpunktionsfehler, vollkommen fehlerlos. Wie viele Leute gibt es im deutschsprachigen Raum, die in der Lage sind, über 40 Seiten vollkommen fehlerlos zu schreiben? Wäre dieses Buch ohne entsprechendes Lektorat im Druck erschienen, hätten Sie es wahrscheinlich auf Seite 17 bereits zur Seite gelegt, und mich hätte es damit als Schreiber all dieser Schreiben der Bajuwarischen Befreiungsarmee
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