Bestien in der Finsternis
du diesmal dabei, Chef?“
„Ihr beide macht das prima.“
„Zwischen eins und drei — hörte
ich mal — schlafen die Alten am tiefsten.“
„Wenn er nicht schläft, dann
legt ihn schlafen. Oder habt ihr das verlernt?“
„Um Himmels willen!“ feixte
Rödl. „Wo ich doch so gegen Gewalt bin. Einem alten Knacker könnte das Herz
stehenbleiben.“
„Nehmt Herztropfen mit“,
empfahl Zenke.
Rödl und Patzke grinsten.
Dann entstand Schweigen.
Zenke wußte, was jetzt kam.
Immer hatte es diesen Ärger
gegeben zwischen den beiden und ihm.
Aber in letzter Zeit — zum
Teufel, weshalb? — wurde es schlimmer.
Patzke senkte die Lider über
seinen Sehschlitzen.
Kaum daß man jetzt die Augen
noch sah.
Außerdem entspannte er die
Mundwinkel.
Diese Mimik hielt er für einen
harmlosen Gesichtsausdruck. So fing es an.
Zenke wartete auf die erste
Frage.
Wie stets, wenn er sich nicht
ganz unter Kontrolle hatte, hob er die Oberlippe und zeigte die Zähne.
„Schätzungsweise“, begann
Patzke, „werden wir Gebamsel — ich meine Schmuck — erbeuten, der unter Brüdern
‘ne halbe Million kostet. Vielleicht eine Million. Vielleicht mehr.“ Zenke
nickte und zeigte noch mehr von seinen Zähnen. „Wieviel kriegst du dafür, Chef,
wenn du die Klunkern verhökerst?“
„Erstmal liegt alles lange auf
Eis. Ich erziele höchstens 30 Prozent des Wertes-unter-Brüdern.“
„Aber wir machen die Arbeit.“
„Die macht ihr.“
„Wieviel kriegen wir diesmal?“
„Zehntausend für jeden — bar
auf die Hand.“
„Nein!“
„Was heißt nein?“
„Chef, so geht’s nicht. Du
beutest uns aus.“
„Red nicht! Ich schieße euch
das Geld vor. Vielleicht bleibe ich hocken auf dem Schmuck.“
„Hahahah.“
„Ja, vielleicht bleibe ich
hocken darauf, weil keiner ihn will.“
„Ich weiß, ich weiß, Chef. Du
trägst das Risiko. Nur aufgrund deiner Verbindungen wird aus dem Coup ein
Geschäft, wird aus dem Einbruch klingende Münze.“
„Sehr richtig.“
„Mann, Chef. So quatschen auch
die Unternehmer, die ihre Angestellten ausnutzen, ausbeuten, mißbrauchen,
benutzen. Ja! Ihnen gehört der Laden. Sie sind der Kopf, der Motor. Ohne sie
geht gar nichts. Zwar machen die andern die Arbeit. Aber die kriegen nur ein
Trinkgeld. Mann, Chef! Wir leben doch nicht mehr im vorigen Jahrhundert.
Heutzutage läuft’s anders. Oder es sollte so laufen. Mitbeteiligung. Anteil am
Umsatz. Das gilt für alle Branchen. Auch für unsere. Daß wir keine Gewerkschaft
haben, die dafür sorgt, liegt nun mal an der Art unserer Arbeit.“
„Zehn Riesen für jeden“, sagte
Zenke zähnefletschend. „Mehr ist nicht drin.“
„Zwanzig für Otto. Dreißig für
mich. Otto steht ja meistens nur Schmiere.“
„Auf keinen Fall. Und nun hört
mal zu.“ Zenke ließ die Lippe sinken und entsann sich seiner Zigarre.
Sie kokelte rauchkräuselnd
zwischen seinen Fingern.
Patzke stöhnte auf, als werde
ihm ein Zahn gezogen.
Rödl hatte unentwegt dümmlich
gegrinst, was seine Wulstlippen wie einen Gummiring breit zog.
Jetzt tauschten Patzke und er
einen Blick.
„Muß ich euch daran erinnern?“
fragte Zenke. „Ihr steht in meiner Schuld, verdammt nochmal! Ohne mich wärt ihr
für zehn Jahre, mindestens, im Knast verschwunden.“
„Jaja“, meinte Patzke. „Ohne
dich wären wir im Eimer.“
„Ihr habt damals den
Raubüberfall ausgeführt“, fuhr Zenke ungerührt fort. „Bewaffnet. Mit schwerer
Körperverletzung. Der Verdacht fiel auf euch. Und die Bullen hätten euch
hochgenommen, wäre ich nicht gewesen.“
„Wissen wir, wissen wir“,
nickte Patzke. „Das Alibi verdanken wir dir.“
„Ich habe es euch besorgt —
vielmehr besorgen lassen. Irres Geld hat’s mich gekostet, damit die Jungs
aussagen, ihr hättet bei ihnen gehockt. Die sind Risiko eingegangen. Ich habe
Kopf und Kragen riskiert. Euch hat’s genutzt. Die Bullen waren gelackmeiert.“
„Wofür wir dir ewig dankbar
sind“, sagte Patzke.
„Will ich hoffen.“
„Aber du kannst uns deshalb
nicht für ewig wie... wie Kulis behandeln.“
„Was?“
„Wie Kulis. Jawohl! Wir
schuften und kriegen nichts.“
„Zehn Riesen“, brüllte Zenke,
dem allmählich der Kragen platzte, „sind zehn Riesen. Wieso ist das nichts?
Zehn Riesen! Und damit genug! Ende der Diskussion! Sind wir denn hier beim
Sozialamt? Macht eure Arbeit! Vielleicht lege ich dann ein paar Hunderter
drauf. Heute nacht sehen wir weiter.“
Patzke kreuzte die Hände auf
dem Rücken.
Die
Weitere Kostenlose Bücher