Bestien in der Finsternis
genannt An-der-Seeleite.
Zufrieden stellte er fest, daß
er der einzige war im Gebiet des Nesswangl-Sees.
Auch Schottloff, der verhaßte
Nachbar, hatte sich seit Tagen nicht blicken lassen.
Zenke schulterte seinen
Compound-Bogen und stiefelte los.
Die Hitze traf ihn mit Wucht.
Sein Seidenhemd schien zu glühen.
Er wollte auf gleiche Höhe mit
dem Nachbarhaus, dann dem schmalen Trampelpfad folgen, der dort durch den
Gebüschgürtel zum Ufer führte.
Eine Stelle auf halbem Weg war
ideal. Von dort bot sich ungehinderter Blick aufs Schottloff-Haus. Die
Entfernung betrug etwa 80 Meter; und das war nicht zu weit für einen
Pfeilschuß.
Ziel war das ständig geöffnete
Dachbodenfenster.
Er wußte, weshalb es niemals
geschlossen wurde.
Schottloffs halbzahme Taube —
ein fast weißes Vieh namens Rosa — flog dort ein und aus, nistete unter den
Schindeln und hatte sicherlich den ganzen Dachboden bekackt.
Schottloff, den dusseligen
Tierfreund, störte das nicht. Wahrscheinlich räumte er auch noch ihren Dreck
weg.
Könnte mir nicht passieren,
dachte Zenke. Die hätte ich längst mit einem Alu-Pfeil erlegt.
Er hatte die Einmündung des
Trampelpfades fast erreicht, als er Rosa, die Taube, sah.
Sie saß am Straßenrand, drehte
den Kopf hin und her und schien sich über das Wetter zu freuen.
„Blödes Mistvieh!“ knurrte
Zenke — und bedauerte, daß er keinen zweiten Pfeil bei sich hatte, um sie
abzuschießen.
Statt dessen nahm er seinen
Zigarrenstummel, zielte und warf.
Er verfehlte Rosa um einen
halben Meter.
Glut sprühte, als der Stummel
auf den Asphalt traf.
Rosa rückte eine Handbreit
beiseite und gurrte aus voller Taubenkehle.
Mit deinen vier Wänden, dachte
er, ist es vorbei. Die brennen gleich. Und Albi Zenke fährt um die Ecke und
ward nicht mehr gesehen, hahahah.
Der Pfad war schmal. Mannshoch
standen die Büsche. Wer überbreit oder dick war, kam hier nicht ohne
Berührungen durch. Die konnten schmerzhaft sein, denn es wuchsen auch Äste mit
Dornen.
Zenke zwängte sich seewärts.
Mehrmals blieb er hängen.
Einmal mit dem Bogen, häufiger mit der Tasche.
Mückenschwärme tauchten auf.
Einige der Plagegeister flogen
ihm in den Mund, hielten die gehobene Oberlippe offenbar für eine Einladung.
Spuckend erreichte er seine
Abschußstelle.
Hier weitete sich der Pfad zur
kleinen Lichtung.
Leere Coladosen,
Hamburger-Imbiß-Pappschachteln, zerfledderte Zeitungen und Zigarettenstummel
lagen herum.
Ihn störte das nicht.
Umweltschutz war für ihn ein ewiges Fremdwort. Solange noch irgendwo ein Baum
wuchs, war doch alles in Butter. Und wenn in vergifteten Flüssen die Fische
krepierten an hochgiftigen Abfällen — interessierte ihn das nicht. Er mochte
Fisch sowieso nicht. Er aß viel lieber Fleisch.
Als er sich zurückwandte, hätte
er die Sonne im Rücken.
Ohne blinzeln zu müssen, sah er
das Schottloff-Haus.
Das Dachbodenfenster schien ihm
zuzulächeln.
Dort oben war alles Holz und
knattertrocken, das Dach sogar mit Schindeln gedeckt. Es würde brennen wie ein
Berg Späne.
Zenke grinste, legte den Bogen
ins Gras, wedelte Mücken weg und nahm die Tasche ab, um den Holzpfeil als
Brandpfeil zu präparieren (vorbereiten).
Das bedeutete: Die Lappen mit
Benzin tränken, um den Pfeil wickeln, festbinden, und anzünden.
Verwundert starrte er auf die
leere Außenschlaufe der Tasche.
Wo war der Pfeil?
Verloren! So was Blödes! Aber
ein Unglück war’s andererseits nicht.
Der Pfeil konnte nicht weit
sein. Und Zenke wußte, wo er zu suchen hatte.
In diesem Moment hörte er die
Stimmen.
„Da wären wir“, sagte Tim.
„Jetzt kannst du Oskar von der Leine lassen, Gaby. Zenke scheint zu Hause zu
sein. Sein Wagen ist da.“
„Ich wünschte“, schnaubte
Klößchen, „er fährt gegen den nächsten Baum, dieser hinterhältige
Sparstrumpf-Dieb. Nein, den Tod wünsche ich ihm nicht. Aber eine
Gehirnerschütterung, zwei bis drei Rippenbrüche und sechs, sieben Abschürfungen
— das hat er doch verdient. Oder?“
8. Wasser und Feuer
Erst schwimmen wir, dachte Tim.
Dann paradieren (vorbeimarschieren) wir vor Zenkes Villa. Den lassen wir
seelisch ausbluten, den Schweinekerl. Wäre doch zu schön, wenn er die Nerven
verliert.
Alle waren vom Rad gestiegen.
Allen war heiß.
Tim beobachtete Oskar, der
hechelnd die Straße hinablief, ein rotes Stöckchen fand, es ins Maul nahm und
zwischen den Büschen verschwand.
„Hähäh!“ machte Klößchen. „Seht
euch mal die Taube an. Da oben
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