Bestien in der Finsternis
fort.
„Meinst du, der stellt sich
unten hin und ruft?“ fragte Gaby.
„Nein.“
„Sondern?“
„Er ist heimtückisch. Also wird
er sich eine heimtückische Methode ausdenken. Und das kriegen wir raus, indem
wir ihn nicht aus den Augen lassen.“
*
Selbstverständlich war an eine
Rund-um-die-Uhr-Beschattung nicht zu denken. Doch das schmälerte die
Erfolgsaussichten wenig. Denn tagsüber ging Patzke seinem Job nach. Erst nach
Feierabend begann für ihn der interessante Teil des Lebens.
Da er im Telefonbuch stand,
hatte die TKKG-Bande seine Adresse schnell gefunden.
Karl, der die Beschattung am
ersten Abend übernahm, konnte anderntags keine besonderen Vorkommnisse melden.
Außer diesem: „Ich glaube, der haust
nicht allein in seiner Bude. Als es dunkel wurde, habe ich unterm Fenster
gelauscht. Da hat er sich mit jemandem unterhalten. Es war eine Männerstimme.
Aber ich konnte nicht verstehen, worum es ging.“
Am folgenden Abend lösten Tim
und Klößchen ihn ab.
Nichts geschah.
Daß Gaby nicht eingespannt
wurde, war selbstverständlich.
Also kam die Reihe wieder an
Karl; und ihm blieb die Spucke weg, als er bei Einbruch der Dunkelheit die
beiden Gestalten gewahrte, die Patzkes Bude verließen.
Karl kannte auch den andern.
Ohne Zweifel — das war Otto Rödl, der Kahlkopf, der immer noch auf Kommissar
Glockners Wunschliste stand.
Karl versteckte sich in einer
dunklen Einfahrt und blieb unbemerkt. Er folgte den beiden.
Patzke trug eine Tasche.
Als sie bei einer Imbißbude
halt machten und sich mit Bier, Curry-Wurst und Pommes stärkten, drückte sich
Karl in die Telefonzelle an der Ecke.
In seiner Aufregung verwählte
er sich. Statt der Internatsnummer geriet ihm der Glocknersche Anschluß in den
Zeigefinger. Gaby meldete sich.
„Was du?“ japste Karl. „Auch
gut. Ich bin’s. Stell dir vor: Der Typ, der bei Patzke haust — das ist Rödl.
Irre, was! Jetzt sind sie unterwegs. Die haben was vor. Ich...“
„Meine Eltern sind bei
Kreuthmüllers eingeladen“, fiel ihm Gaby ins Wort. „Das wird jedesmal spät.
Also kann ich mich abseilen. Zu zweit packen wir’s besser. Wo bist du jetzt?“
Karl nannte seinen Standort.
„Aber beeil dich. Du mußt hier sein, bevor die weiterziehen.“
Gaby schaffte es.
Patzke und Rödl merkten nichts
von ihren Beschattern.
Der Zoo war das Ziel der beiden
Ganoven.
Staunend beobachteten Gaby und
Karl, wie Rödl eine kleine Pforte aufschloß. Er und Patzke verschwanden auf dem
Zoo-Gelände, wo um diese Zeit die Tiere unter sich waren — mehr noch als damals
in der Arche Noah, die ja bekanntlich nicht ganz verzichten konnte auf
menschliche Besatzung.
Karl hatte sein Fernglas mit.
Indem er durch die Gitterstäbe
der Umzäunung spähte, verfolgte er den Weg der Ganoven.
„Mich laust der Affe! Die
wollen ins Raubtierhaus. Und Rödl schließt auf. Der scheint Schlüssel zu haben.
Echte? Nachschlüssel? Ist ja egal. Ich beobachte. Du sprichst fern. Dort drüben
ist eine Telefonzelle. Im Internat ist noch nicht Zapfenstreich. Das heißt, der
EvD (Erzieher vom Dienst) wird Tim ans Telefon holen. Ich wette, er
kommt. Und Willi auch. Auf daß die Strickleiter nicht rostet!“
Gaby rief an. Sie hatte Glück.
Assessor Kahl hatte Nachtdienst. Seit er einen Neun-Millimeter-Bart trug,
erfreute er sich ständig guter Laune — wurde ihm doch alle naslang versichert,
wie vorteilhaft er jetzt aussehe.
Gaby säuselte, es sei ungeheuer
wichtig, daß sie — wegen einer Latein-Arbeit-Vorbereitung — ihren Freund noch
mal spreche. Kahl hieß das gut und holte Tim ans Rohr.
*
Es war phantastisch, wie wenig
Zeit die beiden brauchten. Als sie bei der Zoo-Pforte ankamen, pfiff Klößchens
Atem.
„Sie sind noch im
Raubtierhaus“, sagte Karl.
„Das nenne ich Beschattung“,
freute sich Tim. „Klasse! Von euch beiden könnte der Verfassungsschutz lernen.
Worauf warten wir? Schnüren wir mal ran ans Raubtierhaus.“
Abseits der Pforte ketteten sie
die Tretmühlen ans Gitter. In der Dunkelheit fielen sie nicht auf.
Minuten später schlichen sie
zur Eingangstür des Raubtierhauses. Sie war stabil, besaß aber im oberen Teil
einen Glaseinsatz. Der erlaubte freien Blick ins Innere. Es war nur trübe
erleuchtet. Denn Löwen, Tiger und Panther sollten schlafen.
Patzke und Rödl standen vor
einem der Löwenkäfige.
„Leute!“ wisperte Tim. „Patzke
hat ein Tonbandgerät, ein tragbares. Mit Mikrofon. Will der die Löwen
interviewen (befragen)
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