Bestien
ging durch den Raum zum
Fenster und schob den Vorhang zurück. Einen Augenblick
später kam Linda, die ihren Bademantel übergezogen hatte, zu
ihr, und zusammen blickten sie in die Dunkelheit hinaus, die
das Haus einhüllte. Es war, als sei ein Schatten über den Zaun
geglitten, eine so stille, beinahe formlose Gegenwart, daß keine
von ihnen sicher war, sie überhaupt gesehen zu haben. Und
dann erschien ganz plötzlich ein Gesicht vor dem Fenster.
Obwohl es ein häßliches Gesicht war, eine verzerrte,
groteske Maske, die kaum noch menschlich war, wichen weder
Linda noch Kelly entsetzt vor ihm zurück.
Denn es war Marks Gesicht, und unter seinen wulstigen
Brauen blickten Marks freundliche Augen zu ihnen her.
Seine Hand kam hoch und berührte leicht die Fensterscheibe, und Linda wußte sofort, was er wollte.
Sie öffnete den Fensterhebel und schob den Rahmen hoch.
Einen langen Augenblick geschah nichts, dann streckte
Mark die Hand aus, und seine verkrümmten, mißgestalteten
Finger berührten zitternd Lindas Wange.
Die Finger seiner anderen Hand strichen behutsam eine
Haarlocke aus Kellys Stirn.
Er zog sich höher, beugte sich zu ihnen herein, legte die
Arme um sie und drückte die beiden Mädchen an seine Brust.
Ein leises Geräusch, beinahe wie ein Schluchzen, stieg rauh
in seine Kehle auf.
Dann ließ er sie los, verschwand vom Fenster, wandte sich
um und tauchte so lautlos und rasch in der Dunkelheit unter,
wie er aus ihr gekommen war.
Kelly und Linda verharrten noch lange am offenen Fenster,
und keine von beiden sagte ein Wort. Zuletzt zog Linda den
Rahmen wieder herab und brachte Kelly zu Bett.
»Wird er wiederkommen?« fragte Kelly, als Linda sie
zudeckte. Linda beugte sich über sie und küßte das kleine
Mädchen auf die Stirn.
»Bestimmt wird er es tun«, sagte sie. »Er wird immer
wiederkommen, weil er uns immer liebhaben wird.«
Kelly blickte mit Sorgenfalten auf der Stirn zu ihr auf.
»Aber werden wir ihn immer liebhaben?« fragte sie.
Linda schwieg einen Augenblick, dann nickte sie.
»Warum sollten wir aufhören, ihn liebzuhaben?« sagte sie.
»Es kommt nicht darauf an, wie er aussieht oder was mit ihm
geschehen ist. Er ist immer noch Mark, und in seinem Inneren
ist er nicht anders, als er früher war.«
In dieser Nacht schliefen Linda Harris und Kelly Tanner
zum ersten Mal seit der Beerdigung tief und fest, ungestört von
bedrückenden Träumen. Denn draußen in den Wäldern und
Bergen über der Stadt war Mark Tanner und wachte über sie.
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