Bestimmt fuer dich
lächelte sie an. Nicht, um zu flirten, sondern weil er nicht wusste, in welche Richtung er das Gespräch steuern sollte. Eigentlich suchte er nach einem Weg, sich schnell und unkompliziert zu ver abschieden. Als Rosanna aufstand, um sich für einen kurzen Gang ins Badezimmer zu entschuldigen, über legte Lukas, ob dies seine Chance war.
Rosanna sah sich tief in die Augen, als könnte sie in ihrem Spiegelbild einen Hinweis darauf finden, was sie tun sollte. Ganz ehrlich, Lukas war nicht ihr Typ. Er glaubte, dass alles schiefging, was schiefgehen konnte, und hatte den ganzen Tag über viel geredet, aber so gut wie nichts über sich verraten. Lars hatte sie von Anfang an mit seinem Optimismus mitgerissen und gern über sich gesprochen. Trotzdem fühlte sie sich Lukas näher, als es bei Lars je der Fall gewesen war. Lukas’ Galgenhumor hatte etwas Entwaffnendes und sprach jenen Teil von ihr an, in dem sie all ihre Enttäuschungen versteckte. Lars hatte es stets vermieden, dieser Dunkelheit in ihr Beachtung zu schenken, weil er es für nutzlos hielt, sich düsteren Gedanken hinzugeben, und auch Rosanna davon überzeugen wollte. Aber hatte er damit nicht sogar recht? Bestand nicht die Gefahr, dass jemand wie Lukas sie immer tiefer in die Dunkelheit aus Zweifeln und Verbitterung hinunterzog?
Vielleicht war die Anziehung, die sie ihm gegenüber spürte, bloß ein Ausdruck von Dankbarkeit – immerhin hatte Lukas ihr das Leben gerettet. Hinzu kam ihre Überzeugung, dafür bestimmt worden zu sein, sein Leben verändern zu müssen. Konnte es sein, dass sie sich ihre Gefühle für Lukas in Wahrheit nur einbildete?
Erst jetzt entdeckte sie die verwischte Wimpern tusche neben ihrem Auge. Für Rosanna sah der Fleck nicht aus wie ein Komma, sondern wie die Träne im Gesicht eines Clowns. Aber ihr war weder zum Weinen zumute, noch wollte sie jemanden zum Lachen bringen. Als sie einen Waschlappen aus dem Badezimmerschrank zog, um das verwischte Make-up zu entfernen, rutschte etwas zwischen den Handtüchern heraus und fiel auf den Boden. Rosanna hob die kleine Packung mit Kondomen auf. Im Spiegel fand sie ihren Gesichtsausdruck unheimlich komisch.
»Ich muss jetzt wirklich gehen«, sagte Lukas, als Rosanna mit aufgefrischtem Make-up ins Wohnzimmer zurückkam. Er ärgerte sich über sein schlechtes Timing. Rosanna hatte sich offensichtlich für ihn zurechtgemacht, und seine abrupte Verabschiedung würde sie verletzen. Aber wenn er jetzt bliebe, würde er womöglich gar nicht mehr gehen.
Also stand er auf. Dabei wurde ihm jedoch schwin delig. Er ergriff die Lehne des Sofas und schüttelte kräftig seinen Kopf, als könnte er sich damit wieder stabilisieren. Die bunten Lichterketten an den Dächern der Schneehütten auf der Fototapete wirbelten vor seinen Augen durcheinander wie ein psychedelischer Traum aus den 60 ern.
»Alles okay?«
»Mir ist so ein bisschen schlecht.«
Rosanna sprang auf. »Ich hätte Sie doch ins Krankenhaus bringen sollen.«
»Vielleicht war’s die Pizza«, scherzte Lukas.
Rosanna grinste und wies auf das Sofa. »Sie sind nur zu schnell aufgestanden. Legen Sie die Beine hoch, dann läuft das Blut wieder in den Kopf.«
Lukas versuchte der Anweisung zu folgen, doch das Sofa war viel zu kurz für ihn, sodass er sich zusammenkrümmen und seine Beine über die hohe, harte Armlehne baumeln lassen musste.
»So wird das nichts«, urteilte Rosanna. »Kommen Sie.«
Ihr Schlafzimmer war erstaunlich geräumig, fast so groß wie das Wohnzimmer und ebenso amateurhaft mit einer Fototapete beklebt.
»Besser?«, fragte Rosanna, als Lukas auf ihrem Doppelbett lag und entgeistert die Geier an der Wand anstarrte, die geduldig auf einem knorrigen Wüstenbaum hockten und aussahen, als warteten sie auf den nächsten Touristen, der sich verirren und zur Mittag essenszeit verdurstend unter den kahlen Ästen zusammenbrechen würde.
»Sehr sommerlich«, sagte Lukas. »Ein schöner Kontrast zu den schneebedeckten Weihnachtsbäumen im Wohnzimmer.«
Rosanna zuckte mit den Achseln. »Ich liebe Weihnachten.«
»Ich auch. Endlich mal niemand da, dem man ausweichen muss.«
Rosanna sah ihn befremdet an. Einen Moment lang fragte sie sich, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, als sie aus dem Badezimmer zurückgekehrt war.
»Wollen wir fernsehen?«, schlug sie vor, um das unangenehme Schweigen zu durchbrechen. Sie deutete zu einem kleinen Apparat auf der Kommode gegenüber dem Bett.
Lukas hielt das für eine unter
Weitere Kostenlose Bücher