Bestrafe mich
schloss Eileen die Augen. Sie hatte
Angst, der Mann mit der schönen Stimme, den sensiblen Händen, den seidigen Haaren
und dem betörenden Duft könnte sich als unattraktiv oder gar hässlich herausstellen.
Langsam öffnete sie die Augen und blickte zu Boden. Sie sah schwarz glänzende
Schuhe. Sie ließ die Augen höher wandern: eine schwarze Hose aus feinem Wollstoff.
Noch ein Stück höher: ein ebenfalls schwarzer Ledergürtel mit einer kunstvoll
gearbeiteten silbernen Schnalle. Darüber ein dunkelrotes Hemd. Der oberste Knopf
stand offen. Helle, glatte Haut schimmerte im Kontrast dazu.
„Du darfst mich ruhig ansehen. Noch gelten keine Regeln.“
Eileen hob den Kopf und starrte in ein Gesicht von atemberaubender Schönheit. Er
musste ein Vampir sein. Oder ein Indianer. Nein: die vollkommenste Mischung aus
diesen beiden Schönheitsidealen, die denkbar war. Gesichtszüge wie gemeißelt, eine
unglaubliche Knochenstruktur, darüber zarte, blasse Haut. Das alles nahm sie nur für
Sekundenbruchteile wahr, denn als sie schließlich in seine Augen sah, war sie wie
hypnotisiert und konnte den Blick nicht mehr abwenden. Groß und dunkel lagen sie
unter schmalen, schön geformten Augenbrauen.
Jenna, deren Gegenwart Eileen völlig vergessen hatte, breitete die Arme aus und
drehte sich einmal um sich selbst. „Was für ein Luxusschuppen.“
Eileen hätte nicht einmal sagen können, in welcher Art Raum sie sich befanden, oder
wo oben und unten war. Sie war zu sehr damit beschäftigt in den Augen des Mannes
zu versinken. Jetzt zwang sie sich an ihm vorbeizusehen, nicht ohne dabei
wahrzunehmen, wie seidig seine langen dunkelbraunen Haaren glänzten.
Sie standen in einer hochherrschaftlichen Halle mit allem was dazugehörte:
Kronleuchter, Wandteppiche, Marmorfließen. Zwei geschwungenen Freitreppen
führten zu einer Galerie, von der aus Korridore nach rechts und links führten.
Gerald stellte die Koffer ab, dann sagte er zu Jenna: „Der Lord erwartet Sie.“
„Und was ist mit Eileen?“
Eileen freute sich, dass Jenna ihre Beschützerrolle ernst nahm.
„Eileen“, sagte der schöne Mann, „muss erst vorbereitet werden.“ Dann lächelte er,
und Eileen glaubte, am Anblick seiner geraden weißen Zähne schlichtweg zu sterben.
„Keine Sorge, sie ist bei mir in den besten Händen.“
„Na gut.“ Jenna gab Eileen einen zärtlichen Klaps auf den Po. „Dann werde ich mir
mal den Lord zur Brust nehmen.“
Sie folgte Gerald, und die beiden verschwanden durch eine geschnitzte Tür. Eileen
sah ihr Gegenüber fragend an.
„Mein Name ist Raven“, stellte er sich vor. „Ich bin während deines Aufenthalts dein
persönlicher Diener.“
Jetzt konnte Eileen nicht anders, als erfreut zu lächeln. „Raven. Was für ein schöner
und außergewöhnlicher Name.“
„Danke. Folge mir bitte.“ Er nahm die beiden Koffer und ging zur Treppe voraus.
Am Fuß der Treppe wartete er und ließ Eileen den Vortritt. Als sie an ihm vorbeiging,
atmete sie seinen Duft ein, der sie berauschte wie edler Wein.
Lautlos gingen sie die mit einem dicken Teppich belegte Treppe hoch. Eileen hielt
sich am Geländer fest, denn sie war immer noch ein wenig benommen von der Fahrt
mit verbundenen Augen. Dazu kamen das Kribbeln, das Ravens Nähe in ihr auslöste,
und das Lampenfieber angesichts des ungewöhnlichen Wochenendes, das ihr
bevorstand.
Oben an der Treppe drehte sie sich fragend um.
„Nach links, bitte“, sagte Raven.
Jennas Koffer stellte er gleich vor der ersten Tür ab. Eileen erwartete, dass das
anschließende Zimmer ihres sein würde, und verlangsamte ihre Schritte, doch Raven
ging weiter den Flur entlang, der die Ausmaße eines Hotelkorridors hatte. Sie ließen
Tür um Tür hinter sich und bogen zweimal um Ecken. Eileen hatte längst die
Orientierung verloren. Sie folgte einfach ihrem persönlichen Diener und erfreute sich
an seinen geschmeidigen Bewegungen.
Endlich waren sie da, und Raven öffnete schwungvoll den Flügel einer Doppeltür.
„Mylady“, sagte er mit einer formvollendeten Verbeugung. „Hier ist dein Reich.“
Eileen trat in das Zimmer und wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte.
Goldene Lüster, Brokatvorhänge, Trompe-l’oeil Wandmalereien mit toskanischen
Motiven, Seidenteppiche, antike Schränke, und mitten in der Pracht ein Himmelbett, in
dem eine Großfamilie samt Hund Platz gefunden hätte.
„Ich wusste gar nicht, dass Sklavinnen so fürstlich wohnen.“
„Nur, so lange sie gehorchen. Sonst heißt es: ab in den
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