Bestseller mit Biss - Bardola, N: Bestseller mit Biss
Sie sei das genaue Gegenteil von durchschnittlich.
Was bedeutet diese Szene für die Leser der Vampirsaga? Wenn die Ich-Erzählerin Bella sich selbst schlecht einschätzen kann, dann schätzt sie möglicherweise auch andere Personen schlecht ein. Und einiges spricht dafür – wie Edward betont -, dass Bellas Selbstbild verzerrt ist. Die Leser selbst
haben ja erfahren, wie schnell sich gleich mehrere männliche Verehrer um Bella kümmerten. Viele Indizien sprechen dafür, dass Edward recht hat, dass Bella eine sehr attraktive junge Frau ist.
Die Ich-Erzählerin Bella ist jedoch die einzige Quelle, die einzige Gewährsfrau, die uns durch die Vampirsaga führt. Die Leser sind auf Gedeih und Verderb auf sie angewiesen. (Wäre da nicht Stephenie selbst, die aus dem »Off« ihren Figuren immer wieder via Internet und Interviews glaubt, helfen zu müssen.) Bella empfindet sich also nicht als attraktiv, sondern eben als durchschnittlich. Was stimmt? Bellas bescheidene Sicht auf sich selbst oder Edwards Begeisterung für Bellas Reize? (Stephenies Meinung hierzu ist irrelevant. Es zählt jetzt nur, was im Buch steht. Stephenie kann nicht von allen Lesern erwarten, dass sie sich im Internet über die Interpretation der Autorin informieren.)
Die Entscheidung fällt den Lesern schwer. Dabei ist Bella eine wunderbare Beobachterin. Eine präzise Chronistin der Ereignisse. Nur manchmal schätzt sie die Dinge, die Personen und sich selbst offenbar falsch ein. Diese Unsicherheit, diese Fehlerquelle begleitet die Leser als zusätzliches reizvolles narratives Element durch die Vampirsaga. Denn wer kann schon ohne jeden Selbstzweifel behaupten, er könne sich selbst und seine Wirkung auf Dritte exakt beurteilen. Niemand. (Schade, dass Stephenie ihrer Erzählerin diese so sympathische Eigenschaft nicht belässt. Den Hauptgrund für die text-externen Debatten habe ich oben schon erwähnt. Das virale Marketing kann jedoch seriöse Leser nicht davon abhalten, immer wieder zur letztlich einzig relevanten Quelle, dem Text selbst, zurückzukehren.) Bellas Schwäche ist damit eine weitere einnehmende Eigenschaft, mit der sich die Leser gerne identifizieren. Zugleich erlaubt diese Schwäche
herrliche erzählerische Freiheiten: ein Spiel mit Schein und Sein, mit »Fakten« und Fiktionen.
Warum identifiziert man sich so schnell und so stark mit Bella? Ja, sie ist die Ich-Erzählerin. Aber sie ist eine besondere Ich-Erzählerin. Bellas Erinnerungen wirken in höchstem Maße authentisch. Das hängt einmal damit zusammen, dass Bella durchaus Schwächen ihrer Mitmenschen benennt, wodurch Bellas eigene Vorzüge deutlich werden. Es hängt aber auch damit zusammen, dass Bella gleichzeitig ausführlich ihre Schwächen beichtet. Bella errötet beispielsweise oft. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die wichtigste Figur der Vampirsaga genauer zu betrachten.
Bella beschreibt sich selbst so: elfenbeinfarbene Haut; schlank, aber nicht muskulös; irgendwie weich; motorisch ungeschickt; unsportlich. Laut Bellas Selbstauskunft ist sie 1,60 Meter groß und 55 Kilogramm schwer. Es fällt auf, wie sich Stephenie Meyer äußerlich von ihrer Heldin Bella Swan abgrenzt.
U BERLEBEN UM ZU ERZÄHLEN
Bella wurde in Forks geboren. Als sie wenige Monaten alt war, verließ Isabellas Mutter Renee mit ihr die regnerische Kleinstadt und ihren Ehemann (und Isabellas Vater Charlie), um nach Phoenix zu ziehen. Bella wohnte in Phoenix in einem der wenigen einkommensschwachen Viertel des Paradise Valley Districts, wo Renee als Erzieherin arbeitete. Bis Isabella vierzehn wurde, verbrachte sie jedes Jahr einen Monat ihrer Sommerferien in Forks. In den darauf folgenden
drei Jahren machte jeweils Charlie zwei Wochen Urlaub mit Bella in Kalifornien. Nachdem Renee siebzehn Jahre später in Phoenix den Baseballspieler Phil heiratete und mit ihm ein unstetes Leben begann, beschloss Isabella eher widerwillig, das geliebte Phoenix zu verlassen und zu ihrem Vater nach Forks zu ziehen.
Zu Beginn empfindet sie Forks als selbstauferlegte Strafe. Bella scheint trotz ihrer Vernunft Unfälle wie magisch anzuziehen – zumindest seitdem sie in Forks lebt. Bella verdankt Jacob Black ihr Leben und – wie sie meint – dazu noch ihren Verstand. Das heißt, sowohl ein Vampir als auch ein Werwolf haben ihr Leben gerettet. Mehrfach. Und gleichzeitig wollen so viele Bella an die Gurgel – manchmal kommt sie sich wie ein wehrloser Leckerbissen vor.
Sie fühlt sich in Forks zu Beginn niemandem näher
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