Bestseller mit Biss - Bardola, N: Bestseller mit Biss
Rückkehr angelangt.
Dass Stephenie ihre Liebe zur Literatur ihrer Heldin Bella übertragen hat, steht außer Zweifel. Dazu gehört auch die Sensibilität für Schrift. Der dritte Band beginnt mit einem Brief Jacobs, für den die Herstellung im Verlag eine besondere Schrift gewählt, Tintenkleckse eingefügt und Zeilen durchgestrichen hat. Damit sollte der Schmerz gezeigt werden, den Jacob beim Schreiben empfand. Beim Lesen des Briefes ist Bella ohnehin schon schmerzerfüllt, aber Jacobs Leiden belastet sie noch mehr als ihr eigenes. So scheinen ihr beim Betrachten von Jacobs verletzenden Sätzen die Oberund Unterlängen der durchgestrichenen Buchstaben lauter kleine Sichelmesser zu sein.
Bella ringt trotz, oder vielleicht gerade wegen, ihrer Liebe zur Sprache und ihrer Belesenheit oft um die richtigen Worte. Manchmal fallen sie ihr nicht ein oder sie vermeidet sie, weil sie zu unbekannt sind. Mehrfach berührt Edward beispielsweise zärtlich mit seinen kalten Lippen die Senke unterhalb von Bellas Kehle. Bella umschreibt immer wieder diesen sinnlichen Ort. Doch der hat einen Namen, der in der Vampirsaga nie genannt wird: Drosselgrube oder Jugulum. Zu Beginn des dritten Bandes sucht Bella nach dem richtigen Ausdruck für Edward. »Freund« passt nicht, weil er nicht nach Ewigkeit klingt. Andererseits hält sie Begriffe wie Schicksal und Fügung für aufgeblasen.
Solche Szenen machen die Vampirsage immer wieder lesenswert. Bellas Feingefühl für Sprache wirkt sich auf ihre Erzählungen aus. Was sich von den Übersetzern nicht immer behaupten lässt. Bei der Schilderung von Phoenix heißt es gleich auf der allerersten Seite: »... ein makellos blauer, wolkenloser Himmel...« Was bewirkt hier die Ergänzung
»wolkenlos«? Muss ein makellos blauer Himmel nicht sowieso immer wolkenlos sein? Dieser weiße Schimmel der Übersetzerin galoppiert schon durch den zweiten Satz des ersten Kapitels des ersten Bandes der Vampirsaga. Später fürchtet Bella »für« Edwards Leben, statt um sein Leben. Bellas Verfolger in La Push werden mit »Büroarbeitern« verglichen statt mit Büroangestellten. Bella fragt: »Kann ich fahren?«, statt: Darf ich fahren? Generell sind die Übersetzungen aber wunderbar. Vielleicht sollten bei Nachauflagen noch kleine Differenzen in den von verschiedenen Übersetzern verfassten Texten angeglichen werden. Gerade beim Autofahren ist im ersten Band von »Meilen pro Stunde« die Rede, später von »Kilometer in der Stunde«.
L IEBER LANGSAM STERBEN?
Wenn sich Bella einen anderen Namen aussuchen könnte, würde sie Jane wählen. Charlie nennt sie Bell. Auch dies sind Zeugnisse ihrer Liebe zur Literatur. Dementsprechend schimpft Bella über das Fernsehen, insbesondere über die »schwachsinnigen Sitcoms«.
Ernsthaftigkeit dauert. Zu Beginn des dritten Bandes erinnert sich Bella an den Kinobesuch mit Jacob und Mike. Es war Jacobs letzter Abend, bevor er die Wahrheit über seine zweite Natur erfuhr. Es überrascht sie, wie die Zeit ihre Erinnerung verändert hat. Damals empfand sie den Abend als verwirrend und anstrengend. Aus der Distanz kann sie nun darüber lachen.
Die Leser machen diese Veränderung mit. Sie entwickeln
sich mit Bella. Sie richten sich ein in Bellas Leben wie im Leben einer guten Freundin.
Ein wichtiger Bestandteil des Erfolges der Vampirsaga ist der literarische Hintergrund. Literatur spielt in der Vampir-saga von Anfang bis Ende eine wichtige Rolle. Schon zu Beginn mokiert sich Bella über die Leseliste, die ihr der Englischlehrer Mr Mason gibt: Bronte, Shakespeare, Chaucer und Faulkner seien »ziemlich elementare Sachen«, die sie alle schon gelesen habe, was sie als beruhigend und gleichzeitig auch als Gefahr für Langeweile im Unterricht empfindet. Nicht so die Leser von Stephenies Vampirsaga. Denn die wenigsten der deutschen Leser von Bella und Edwards Abenteuern werden zu den oben genannten Autoren behaupten können, »alles schon gelesen« zu haben. Das Besondere an der Vampirsaga ist, dass sie immer wieder Verbindungslinien zu großen Werken der Literatur zieht und dass sie für manche Leser den (Wieder-)Einstieg in literarische Werke bedeuten kann, die einem vielleicht durch die Schule verdorben worden sind.
Zu Beginn des dritten Bandes unterhalten sich Bella und Edward über Sturmhöhe. Edward kritisiert, dass Cathy und Heathcliff mit Paaren wie Romeo und Julia oder Elizabeth Bennet und Fitzwilliam Darcy verglichen werden. »Sturmhöhe« sei keine Liebes-, sondern eine
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