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BETA (German Edition)

BETA (German Edition)

Titel: BETA (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Cohn
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scheint sie tatsächlich ruhiger zu werden. Aber meine Miene und meine Stimme reichen offensichtlich nicht aus. »Aber woher weißt du das?«, fragt sie.
    »Weiß ich was?«
    »Dass keiner versuchen wird, mir was anzutun.«
    Ich checke die Frage auf meinem Chip, der mir darauf die richtige Antwort signalisiert. »Weil auf Demesne keine schlimmen Dinge passieren«, sage ich.
    »Glaubst du, dass es da draußen böse Klone gibt?«
    »Was meinst du damit?«, flüstere ich zurück.
    »Solche, die kaputt sind. Klone, die nicht mehr richtig funktionieren.«
    Ich öffne ihr Schlafzimmerfenster einen Spalt, die frische Nachtluft von Demesne tut ihr vielleicht gut. »Aber, Liesel, du weißt doch, dass hier auf der Insel alles schön und perfekt ist. Wo soll denn da plötzlich etwas Kaputtes herkommen?«
    Aber falls es doch defekte Klone gibt, denke ich, mag das der Grund sein, warum man im Labor von Dr. Lusardi eine Krankenstation eingerichtet hat – damit sie dort in sicherer Verwahrung sind und den Menschen nichts antun können.
    Ich streiche Liesel sanft über den Rücken.
    Sie schlingt ihre Arme um mich und scheint jetzt entspannter zu sein. »Du bist ein guter Klon«, murmelt sie schläfrig.
    Aber Liesel hat immer noch Angst, dass ›die bösen Männer‹ ihr etwas tun könnten, während sie schläft. »Bitte, bitte, kann ich mit dir in Astrids Bett schlafen?«, fleht sie mich an. »Astrid hat mich immer mit zu sich rübergenommen, wenn ich meine schlimmen Träume hatte. Mein Bett ist zu schmal für zwei.«
    Wir gehen beide in Astrids Zimmer. Ich decke Liesel sorgfältig zu und lege mich dann neben sie. Liesel legt ihre Hand auf meine Hüfte, um sich sicherer zu fühlen, und schläft dann schnell ein, erschöpft von ihren Ängsten und ihrem inneren Aufruhr.
    Mir fällt es nicht so leicht, wieder einzuschlafen, und weil ich ja in der Familie in gewisser Weise Astrids Stelle einnehmen soll, denke ich mir, dass ich sie vielleicht mal etwas besser kennenlernen sollte. Ich betrachte die Holografie auf dem Nachttisch, auf der Astrid und Liesel zu sehen sind. Sie haben beide die Arme um die Schulter der anderen gelegt und Liesel lächelt in die Kamera. Astrid lächelt nicht. Sie hat schulterlange hellblonde Haare, genau wie ich, und die himmelblauen Augen ihrer Mutter. Liesel wirkt fröhlich und sorglos, Astrid dagegen müde und abwesend.
    Ich ziehe die Schublade ihres Nachttisches auf. Außer einer Handvoll Bonbons mit Erdbeergeschmack entdecke ich dort nicht viel. Ich wüsste gerne, ob Erdbeerbonbons genauso gut wie Erdbeershakes schmecken, deshalb greife ich nach einem der Bonbons, doch er klebt am Boden der Schublade fest. Ich ziehe daran, um ihn zu lösen, aber plötzlich halte ich nicht nur den Bonbon, sondern ein dünnes Brett in der Hand; es ist der doppelte Boden der Schublade. Darunter entdecke ich ein Geheimfach, in dem Astrids Schulhefte mit den Vorbereitungstests für die Aufnahmeprüfung an der Universität liegen. Ich nehme eines der Hefte heraus und blättere es durch. Am Anfang sind Astrids Noten noch schwach, aber am Ende hat sie sich unglaublich verbessert, fast immer hat sie die höchste Punktzahl erreicht. Sogar ihre Handschrift wirkt gegen Ende klarer und entschiedener. Kein Wunder, dass Mutter so stolz auf sie ist. Astrid hat sehr, sehr hart gearbeitet, um die Aufnahmeprüfung für die beste Universität auf dem Mainland zu schaffen.
    Ich lege das Heft wieder in die Geheimschublade zurück und entdecke darin einen mit einer roten Schleife umwickelten silbernen Dolch. Auf dem angehängten Kärtchen steht › Für Astrid · Frohe Weihnachten · Alles Liebe, Dein Dad‹. Außerdem liegen in der Schublade noch ein Wörterbuch und Tampons. Ich nehme das Wörterbuch heraus, um später etwas darin herumzublättern. Die Tampons lasse ich liegen. Klone sind biologisch den Menschen in jeder Hinsicht gleich, bis auf die Tatsache, dass wir uns nicht fortpflanzen können. Ich brauche keine Tampons, weil ich keinen Menstruationszyklus habe. Was ich mit einem Dolch anfangen soll, weiß ich nicht. Aber neue Wörter lernen, dafür bin ich immer zu haben.
    Mir fällt auf, dass in Astrids Zimmer nur Holofotos von ihr und Liesel zu sehen sind, aber nicht von anderen Familienmitgliedern. Während Liesels Zimmer rosa und voller Glitzerkram ist, gibt es bei Astrid nur die absolute Grundausstattung an Möbeln und Dekoration. Der Raum wirkt fast steril. Der einzige Wandschmuck ist ein Kalender, auf dem sie die Tage bis zu ihrer

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