BETA (German Edition)
Abfahrt ausgestrichen hat.
Als Xanthe am Morgen in Astrids Zimmer kommt, bin ich immer noch wach. Ich klappe Astrids Wörterbuch zu, das sie immer wieder und wieder durchgearbeitet haben muss, so viele Anmerkungen hat sie hineingeschrieben. Die ganze Nacht habe ich darin gelesen. So viele Wörter habe ich darin gefunden, bei denen die Datenbank meines Chips keinen Treffer gemeldet hat. Seltsam.
Gerade eben noch war mir ein Wort ins Auge gesprungen, das Astrid mit Leuchtstift markiert hatte.
Revolte: Auflehnung einer Gruppe gegen die bestehenden Verhältnisse oder die herrschende (Regierungs-)Macht, meist politisch motiviert.
Schon allein das Wort Revolte gefällt mir nicht, ich finde, es klingt unschön und bedrohlich, aber Astrid hat daneben ein dickes »Ja!« geschrieben.
»Ach, da ist sie«, sagt Xanthe, als sie Liesel friedlich schlummernd neben mir entdeckt. »Höchste Zeit für sie, aufzustehen und sich für die Schule fertig zu machen.«
»Gibt es hier eine Schule?«, frage ich. »Gehe ich da auch hin?«
»Wenn ich einen Sinn für Humor hätte, würde ich fast glauben, dass du gerade einen Witz gemacht hast«, sagt Xanthe.
Vermutlich will sie mir damit klarmachen, dass ich nicht zur Schule gehen werde. »Wo ist die Schule denn?«, frage ich.
»Weil es nicht genug Bewohner auf der Insel gibt, die das ganze Jahr hier leben, lohnt es sich nicht, eine eigene Schule zu unterhalten. Deshalb werden die Kinder hier von Tutoren betreut. Sie werden in Heaven unterrichtet. Aber sie haben normale Schulstunden, wie auf dem Mainland auch.«
»Sind die Tutoren auch Klone?«, frage ich.
»Selbstverständlich. Einem Menschen würde man die Erziehung auch nicht so schnell anvertrauen. Leider gibt es keine anderen Kinder in Liesels Alter, deshalb fühlt sie sich manchmal etwas einsam. Nach dem Unterricht wirst du immer mit ihr spielen.«
Vor wenigen Monaten war meine First wahrscheinlich auch eine Studentin. Bestimmt lebte sie irgendwo auf dem Mainland. Ob sie wohl gute Noten hatte? Ob sie auch so eifrig wie Astrid gelernt hatte, um es auf die Biome University zu schaffen?
»Würdest du auch gern mehr lernen?«, frage ich Xanthe.
Sie blickt mich an, als wären mir plötzlich drei Köpfe gewachsen oder als hätte ich ihr gestanden, dass ich tatsächlich ganz wild auf Makkaroni mit Käse bin und das nicht nur vorgetäuscht habe. »Was soll ich denn mit mehr Bildung anfangen?«, fragt Xanthe.
»Ach, ich weiß nicht … Einfach was lernen! Den eigenen Horizont erweitern! Besser werden!«, sage ich. »Es gibt so viel, was ich gern wissen möchte, und es ist einfach so …« Ich will großartig sagen, aber Xanthe beäugt mich misstrauisch. Viel habe ich ja bisher noch nicht gelernt, aber genug, um zu wissen, dass ich nicht den Wunsch äußern sollte, etwas Großartiges erleben zu dürfen. Ich darf Menschen widerspiegeln, dass sie großartig sind oder etwas Großartiges erlebt haben, aber mit mir selbst hat das nichts zu tun. »… es ist gut, immer die richtigen Informationen zu haben«, beende ich den Satz.
»Ich wünsche mir nichts«, sagt Xanthe, »und ich brauche auch nicht besser zu werden als ich bin. Ich bin geschaffen, um zu dienen, und sämtliche Informationen, die ich dafür brauche, besitze ich bereits. So wie du auch.« Sie verschwindet kurz und kehrt dann mit Kleidung für Liesel über dem Arm zurück. Auf dem Stuhl neben dem Bett legt sie für Liesel alles zurecht.
Ich will Liesel sanft anstupsen, damit sie aufwacht. Sie soll nicht zu spät in den Unterricht kommen. Sie soll lernen dürfen. Aber Xanthe hält meine Hand fest.
»Wünschst du dir etwas?«, fragt sie leise.
Mein Herz fängt an, schneller zu klopfen, als würde mich jemand bedrohen, obwohl ich weiß, dass ich nur über meine Pflichten belehrt werde. »Nein, ich wünsche mir nichts«, sage ich. »Ich diene.«
»Richtige Antwort«, sagt Xanthe und weckt Liesel auf.
Achtes Kapitel
A uf Anweisung des Governor beginnen Ivan und ich um acht Uhr morgens mit unserem Work-out. Wir machen zuerst etwas Stretching und Muskelaufbauübungen auf der Veranda, drehen dann eine längere Jogging-Runde oben an der Felsküste und beenden das Training mit einer Reihe von Sprints über die steilen Treppen, die vom Strand zur Villa des Governor führen, das treibt den Blutdruck noch mal richtig hoch und kräftigt die Beinmuskulatur.
Wir haben unseren fünften Sprint über die in den Fels gehauenen Stufen zur Hälfte hinter uns, als Ivan auf einmal stehen
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