BETA (German Edition)
besonderen Schliff geben – von einem Menschen erzogen zu werden, von einer echten, lebendigen Mary Poppins. Aber was wir da für einen Reinfall erlebt haben! Die Atmosphäre hier auf der Insel bewirkte, dass sie sich wohler fühlte, als sie es durfte. Statt eine strenge Erzieherin und Babysitterin für unsere Kleinen zu sein, war sie auf einmal vollkommen entspannt und glücklich. Sie überließ unsere drei sich selbst, während sie im Liegestuhl saß und sich sonnte! Das war wirklich undankbar, findest du nicht auch?«
»Ja, Mutter.«
Sie fährt mir von hinten mit den Fingern durch meine langen Haare, teilt sie dann in drei Strähnen auf und beginnt, mir einen Zopf zu flechten. Ich lächle ihrem Spiegelbild zu. »Bevor sie ins Bett gegangen ist, habe ich Astrid auch immer die Haare geflochten«, sagt Mutter. »Es war das Einzige, was sie mir noch erlaubt hat, das unabhängige kleine Luder. Sie hat immer gesagt, sie könne besser schlafen, wenn ihre Haare nicht so wirr auf dem Kopfkissen herumliegen.«
»Fühlt sich gut an mit den Zöpfen, Mutter. Danke.«
Sie küsst mich auf den Scheitel. »Gern geschehen. Jetzt hab ich aber auch noch eine Bitte an dich.«
»Ja, Mutter?«
»Liesel hat nachts manchmal Albträume. Wenn du sie schreien hörst, kannst du dann zu ihr gehen und bei ihr bleiben, bis sie wieder eingeschlafen ist? Ich nehme immer meine kleinen Schlummerhilfen und oft höre ich sie dann nicht. Astrid hat sie früher immer getröstet und jetzt legt sich Ivan zu ihr ins Bett, aber Liesel erschrickt dann immer. Jungs und ihre raue Art. Er hat einfach keine Ahnung, wie man ein verängstigtes Kind beruhigt. Na ja, wie junge Männer eben so sind.«
Woher soll ich wissen, wie junge Männer sind? Abgesehen davon, dass sie gern ›Boah ey!‹ rufen?
»Tu ich gern, Mutter«, sage ich.
»Braves Mädchen. Gute Nacht.«
Sie steht auf und geht, bleibt im Türrahmen aber noch einmal kurz stehen und dreht sich zu mir um. Mein Chip identifiziert ihren Gesichtsausdruck als Stolz und Zuneigung .
»Mutter?«, frage ich.
»Ja, mein Liebes?«
»Wenn Astrid krank geworden ist, was ist dann passiert?«
»Wie meinst du denn das?«
»Wurde sie dann in die Krankenstation geschickt?«
Mutter lacht leise. »Nein, natürlich nicht. Wir haben sie gepflegt, bis sie wieder gesund war, wie ich das bei allen meinen Kindern mache. Zum Glück war nie eines von ihnen so schlimm krank, dass ich mit ihm ins Krankenhaus musste.«
»Und wenn ich krank werde, werde ich dann in die Krankenstation geschickt?«
Mutter sieht mich an. »Schlaf gut, Elysia. Du kannst gar nicht krank werden. Du bist absolut perfekt.«
Siebentes Kapitel
M itten in der Nacht höre ich Liesel schreien. Ich springe aus dem Bett und laufe in ihr Zimmer, wie Mutter mich gebeten hat. Ich knipse bei Liesel das Licht an. Ihr Zimmer ist wie das einer Märchenprinzessin eingerichtet, rosa Wände mit Glitzerschmuck, ein geschwungener Frisiertisch in Gold und Weiß mit Schubladen, ein Bett mit einem Baldachin und rosa Tüllvorhängen.
Ich setze mich auf ihr Bett. Liesel wirft sich mir in die Arme und presst ihr Gesicht gegen meine Brust. Ich streiche ihr über die Haare und will sie so gern trösten. Wie eine richtige Schwester. Ich will nicht, dass diesem kleinen Mädchen irgendetwas geschieht, egal ob in Wirklichkeit oder im Traum. Tränen laufen ihr über die Wangen und mein Nachthemd fühlt sich schon ganz feucht an.
»Was ist denn?«, frage ich Liesel.
»Ich hab wieder von den bösen Männern geträumt. Sie haben draußen gestanden und auf mein Fenster geschossen. Wie in Ivans Spiel.«
»Was für ein schlimmer Traum. Aber so was könnte hier nie passieren.«
»Könnte es schon. Böse Männer gibt es überall.«
»Wer hat dir denn das gesagt?«
»Ivan. Er hat gesagt, dass die Aufständischen immer stärker werden und dass sie bald hinter uns allen her sein werden, nicht nur hinter Daddy.«
»Wer sind denn die Aufständischen?« Ich checke die Datenbank auf meinem Chip, finde aber keine Information.
»Von denen hast du wirklich noch nichts gehört, Elysia? Das sind doch die, die gegen das Klonen sind.«
Ich drücke Liesel einen Kuss auf den Scheitel, wie Mutter das bei mir getan hat. Als Stimmregister wähle ich beruhigend und sage zu Liesel: »Warum sollte denn irgendjemand gegen das Klonen sein? Und was, denkst du, wäre dann mit mir? Da müsste ich doch auch protestieren. Immerhin bin ich selbst ein Klon.«
Liesel sieht mich an und für einen Moment
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