BETA (German Edition)
und hätte dieses Spiel nie mit ihm gespielt.
Ivan und ich stehen nebeneinander an der oberen Kante der Felswand, die steil zum Meer von Ion abbricht, dessen blauviolette Fläche sich weit und verlockend vor uns ausbreitet. Gleich werden uns die Gurte, an denen die Gleitschirme befestigt sind, umgeschnallt. Im Moment stehen wir an der Stelle, von der aus wir in die Luft abspringen werden, weg vom Boden der Insel unter unseren Füßen.
Ivan dreht sich um und blickt in Richtung Villa zurück. »Von der Stelle da werden wir losrennen.« Er zeigt auf einen Flecken, der einen kurzen Anlauf von uns entfernt ist. »Wenn du dann die Kante hier erreicht hast, machst du einen großen Satz, damit du nicht aus Versehen irgendwo am Felsen hängen bleibst, sondern gleich hochgetragen wirst.« Er deutet auf eine Anlage mit mehreren Gebäuden, ungefähr zwei Meilen entfernt. »Siehst du das da drüben? Dieses Riesending, was da in den Felsen gebaut ist? Das ist das Anwesen von den Fortesquieus. Wir werden über dem Wasser eine hübsche Kurve drehen und dann auf dem Strand dort landen. Der Sand ist fest genug, um im Laufen aufsetzen zu können. Alles klar?«
Ich nicke. Ivan geht zu der Stelle zurück, wo wir starten werden. Sein Gleitschirm liegt dort ausgebreitet. Sobald er über die Felskante gesprungen ist, wird der Schirm sich über ihm ausbreiten und ihn über das Wasser tragen.
Aber ich folge ihm nicht sofort, sondern frage mich, was wohl passieren würde, wenn ich einfach Nein sagen würde.
Wäre es mit meinem Dienst hier als Klon sofort vorbei, wenn ich plötzlich verkündete: Hör zu, Ivan, mir ist das zu gefährlich, der Sprung von dem Steilhang hier könnte mich das Leben kosten. Gleitschirmfliegen hab ich vorher noch nie gemacht. Ich hab zwar einen Chip, der mir erklärt, wie alles funktioniert, aber überhaupt keine praktische Erfahrung damit, wie ich dieses Gerät und mich durch die Windböen über dem Meer manövrieren soll, denen wir gleich ausgesetzt sein werden. Außerdem hätte ich auch mehr Lust darauf, eine Runde im Pool zu schwimmen und wieder Visionen von einem blonden Surfergott mit türkisblauen Augen zu haben. Und nach dem Schwimmen hätte ich gern, dass mir jemand ein Schokoladensoufflé serviert, und zwar sollte es mir ein Mensch auf einem Tablett bringen. Wie wär’s, wenn heute zur Abwechslung mal die Klone bedient würden? Wenn du uns die Gurte umlegen und alles für den Gleitschirmflug vorbereiten würdest, weil mir gerade danach ist, eine kleine Spritztour zu machen? Sei so nett und tu das für uns, sei ein Schatz.
»Komm schon, Elysia«, ruft Ivan.
Ich sage es. Zwar leise, aber trotzdem. »Nein.«
»Was hast du gerade gesagt?«, fragt er. Auf seinem Gesicht sind Verwirrung und Bestürzung zu erkennen.
»Nein«, wiederhole ich lauter.
Ivan weiß nicht, was er mit dieser Antwort anfangen soll. Wütend werden? Mir gut zureden? Mir befehlen?
»Elysia, ich hab gesagt –«
Bevor er weiterreden kann, gehe ich zu der Stelle, wo mein Gleitschirm ausgebreitet liegt, und mache mich bereit. »War nur Spaß!«, sage ich.
Ich renne los. Es kümmert mich nicht mehr, was auf den Sprint zur Absprungstelle folgen wird. Mit aller Kraft stoße ich mich ab und springe, so weit ich kann.
Wir gleiten durch den Himmel und werden von den Winden noch weiter nach oben getragen.
Als wir dann hoch in der Luft schweben, durch die vielen Leinen mit dem Gleitschirm verbunden, dessen Tragfläche sich im Wind wölbt, verstehe ich, warum Ivan sich dieser Gefahr aussetzt, ja sie sogar sucht. Hier oben zu sein bedeutet, frei zu sein. Draußen. In der Unendlichkeit.
Als die Sonne im Westen am Horizont untergeht, wirft sie einen gelborangen Schimmer über das blauviolette Wasser. Die Luft, in der wir uns befinden, ist dünner und irgendwie anregender als die der sauerstoffangereicherten Atmosphäre unter uns. Es fühlt sich abenteuerlich und prickelnd an, sie einzuatmen.
Könnte sie, meine First, sich vielleicht tatsächlich an dem Ort befinden, den die Menschen Himmel nennen? Ich fliege über das Meer, meine Lungen füllen sich das erste Mal mit der Luft, die auch sie eingeatmet hat, und ich muss an meine First denken. Ich hoffe, dass sie ebenfalls erlebt hat, was ich hier gerade erlebe.
»Nicht schlecht, was?«, fragt Ivans Stimme aus dem Lautsprecher meines Helms.
»Besser als Raxia?«, frage ich zurück.
Ich höre ihn lachen. »Nichts ist besser als Raxia. Aber Raxia ist was, um langweiligen Tagen auf Demesne zu
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