BETA (German Edition)
vorbeischauen, in der sie mich gekauft hat. Sie behauptet, dass sie Dessous kaufen will, aber ich glaube, dass sie nach einem neuen Klon Ausschau hält.
»War da nicht noch eine Teen-Beta zu verkaufen?«, fragt sie mich, als wir fast dort sind.
»Ja, Mutter. Ihr Name ist Becky.«
»Ich glaube, sie ist noch im Angebot. Wenn sie von jemandem gekauft worden wäre, hätte ich das nämlich mitbekommen.«
Wir betreten die Boutique, wo uns Marisa begrüßt, die Zwischenhändlerin, mit der Mutter über meinen Preis verhandelt hat. »Mrs Bratton, was für eine Freude, Sie wieder hier bei uns begrüßen zu dürfen«, sagt Marisa. »Wie macht sich Ihre Teen-Beta denn so?«
»Sie ist himmlisch«, haucht Mutter. »Einfach himmlisch.«
»Das hört Dr. Lusardi bestimmt gerne. Womit kann ich Ihnen denn heute behilflich sein?«
»Ich will ein Négligée. Seide, Spitze und natürlich sexy. Und dann … sagen Sie, ist die andere Teen-Beta denn immer noch erhältlich?«
Marisa lächelt schief und streift mich kurz mit einem Blick. »Sie ist noch erhältlich. Aber … sie dürfte kaum ihrem Geschmack entsprechen. Sie ist nicht so makellos wie Ihr Exemplar.«
»Ich möchte sie gern sehen«, sagt Mutter.
Marisa verschwindet im Hinterzimmer und kehrt dann mit Becky zurück. Meine frühere Gefährtin wirkt bleicher als beim letzten Mal, fast aufgedunsen, und ihre fuchsiafarbenen Augen haben rote Einsprengsel, als wären sie blutunterlaufen. Außerdem scheint sie mindestens eine Kleidergröße zugenommen zu haben.
»Hallo, Elysia«, sagt sie zu mir.
»Hallo, Becky«, sage ich.
Mutter mustert Becky von oben bis unten. Ihre Entscheidung ist schnell gefällt. »Nein, kommt nicht infrage«, sagt sie.
»Wenn ich Ihnen jetzt unsere Lingerie-Kollektion zeigen darf«, sagt Marisa. »Wir haben eben erst eine neue Lieferung mit ganz wunderbaren Dessous aus Biome City bekommen. Was sich dort in der Modeszene gerade tut, ist so aufregend!«
»Ja, bitte«, haucht Mutter, aber es klingt eher nach einem Seufzer. Ich merke, wie enttäuscht sie ist. Sie wollte von ihrer Shopping-Tour etwas wirklich Neues und Aufregendes mit nach Hause bringen, und jetzt wird daraus nur ein Nachthemd, das wahrscheinlich genauso aussieht wie die fünfzig anderen, die sie schon zu Hause in der Schublade hat.
Mutter und Marisa ziehen sich in den hinteren Teil des Ladens zurück und Becky und ich bleiben einen Augenblick allein. »Wie geht es dir?«, frage ich Becky.
»Kann nicht klagen«, sagt sie. Sie hat sich verändert. Nicht nur, dass sie zugenommen hat, auch ihre Haut ist ungesund blass und ihre Augen wirken nach innen gekehrt. »Wie geht’s denn bei dir so, in der Villa des Governor?«
»Kann nicht klagen«, antworte ich. Jedenfalls besser, als die ganze Zeit in dieser langweiligen Boutique rumzuhängen und darauf zu warten, dass man vielleicht gekauft wird, was aber bei ihr nie der Fall sein wird, denke ich.
»Wie ist’s dort denn so?«, fragt sie und wirkt dabei so unbeteiligt, wie sich das für einen Klon ohne Gefühlsleben eigentlich auch gehört. Aber irgendwie, ich weiß nicht warum, habe ich den Eindruck, dass mit ihr etwas nicht stimmt.
»Alles wunderbar«, sage ich.
»Natürlich«, sagt Becky.
»Was machst du denn da den ganzen Tag?«, fragt sie. »Welche Dienste verrichtest du denn?«
»Ich verrichte keine Dienste«, erwidere ich, selbst erstaunt darüber, dass ich auf einmal so beleidigt reagiere. »Ich werde dort wie ein Familienmitglied behandelt.«
»Und was machst du dann?«
»Ich trainiere jeden Morgen mit meinem Bruder Ivan. Ich begleite Mutter zum Lunch mit ihren Freundinnen. Ich plansche mit meiner kleinen Schwester Liesel im Pool. Abends speise ich mit der Familie auf der Terrasse.«
»Du speist mit ihnen?«, fragt Becky. »Und du probierst aus reiner Höflichkeit auch ihr Essen?«
»Ja«, sage ich. Dass ich ganz verrückt nach ihrem Essen bin, sage ich nicht.
»Und hast du jemals Schokolade probiert?« Becky beugt sich zu mir vor.
»Ja«, antworte ich cool.
»Für Menschen kommt es Ataraxia gleich, hab ich gehört«, sagt Becky.
»Scheint so«, sage ich.
»Und bei dir?«, fragt sie. »Hast du da auch so etwas wie Ataraxia verspürt?«
»Unsereins ist natürlich unfähig, Ataraxia zu verspüren«, sage ich, ohne so recht zu wissen, warum ich Becky nicht erzähle, dass ich die Schokolade tatsächlich schmecken konnte. Ihr Leben ist so schon beschränkt genug. Ich muss ihr nicht von noch mehr Privilegien vorschwärmen.
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