BETA (German Edition)
»Wenn du willst, dass ich mit dir spiele, musst du ein Spiel aussuchen, bei dem ich nicht gleich einschlafe.«
»Astrid hätte mit mir Prinzessinnenball gespielt.«
»Aber nur, um dir einen Vortrag darüber zu halten, dass Frauen sich nicht so weit zu einem Objekt machen lassen sollen, dass es ihr einziger Wunsch ist, von einem Prinzen gerettet zu werden.«
»Ich will aber gern von einem Prinzen gerettet werden«, sagt Liesel.
»Dein großer Bruder wird dafür sorgen, dass es nie etwas Böses gibt, wovor du gerettet werden musst«, sagt Ivan. »Gut so? Okay, was wollen wir jetzt spielen?«
Liesel versucht es noch einmal. »Kann nicht Elysia mit mir Prinzessinnenball spielen und du machst was anderes?« Wenn Liesel und ich allein sind, will sie immer nur Prinzessinnenball spielen. Wir ziehen dann prächtige Ballkleider an und setzen Krönchen auf und gehen auf den Ball am Königshof. Sie hat sogar ihren eigenen Fantasieprinzen entworfen und auf ihrem Gameprofil abgespeichert, sodass sie immer wieder mit ihm spielen kann. Der Prinz kann alle Tanzschritte, die Liesel ihm befiehlt, von so alten Tänzen wie Hustle und Macarena bis zu neueren Sachen wie Bootywave und Skullthrash. Ihr Traumprinz ist groß, dunkelhaarig und hübsch und trägt eine Offiziersuniform mit schwarzer Hose und roter Jacke mitsamt Goldbrokatgürtel und Purpurschärpe. Er schenkt ihr immer Pralinen. Wir haben ihn Prinz Chocolate getauft.
»Nein«, erwidert Ivan. »Entweder was Richtiges oder überhaupt kein Spiel.«
»Sei nicht so gemein!«, ruft Liesel.
»Ich bin gar nicht gemein. Sei nicht so ein Baby. Dad möchte, dass ich bei den Spielen meine Kraft, Motorik und Reaktionsfähigkeit verbessere.«
Liesel gibt einen Seufzer von sich, der klingt wie die ihrer Mutter. »Wie wär’s mit Z-Grav?«
»In Ordnung!«
Das Spiel beginnt, doch diesmal tauchen vor den weißen Wänden keine virtuellen Gegenstände oder Szenerien auf. Stattdessen hören wir ein saugendes Geräusch und werden sofort wie von Magneten an die Decke hochgezogen. Schwerelos schweben wir im Raum und müssen all unsere Muskeln anstrengen, um wieder mit den Füßen auf den Boden zu kommen. Wer es zuerst schafft, hat gewonnen. Normalerweise bin das ich, aber seit Ivan so viel kräftiger und beweglicher geworden ist, hat er auch eine Chance. Vielleicht schlägt er mich diesmal. Liesel bemüht sich erst gar nicht; sie lässt sich von Wand zu Wand saugen und versucht ihren Bruder immer wieder nach oben zu schubsen, sobald er es ein Stück nach unten geschafft hat. Sieg oder Niederlage ist ihr völlig egal, sie will nur ihren Spaß haben.
Ich strenge mich an, um zu gewinnen, weil das der Sinn und Zweck dieses Spiels ist.
Ich spüre aber auch, dass meine First ebenfalls alles gegeben hätte, um zu gewinnen. Kein Klon hat einen so durchtrainierten Körper, wie ich ihn habe, wenn ihm nicht Sport und Wettkampf im Blut steckt.
Ivan strengt sich ebenfalls an, weil der Governor seinen Sohn gar nicht oft genug daran erinnern kann, dass er ein ›Siegertyp‹ sein muss, um beim Militär zu überleben und Karriere zu machen.
Und so schweben wir alle drei durch den Raum und versuchen, Boden unter die Füße zu bekommen. Liesel, die unter der Decke hängt, erwischt Ivans Hand und zieht ihn wieder nach oben, als er es schon fast nach unten geschafft hat. Deshalb ist es mir nun ein Leichtes, zuerst unten aufzuschlagen. Das saugende Geräusch hört auf. Liesel und Ivan fallen zu Boden, wobei ihr Sturz durch große Luftkissen abgefedert wird, die sich beim Aufprall unter ihnen aufblasen.
Ivan steht auf, er ist ein schlechter Verlierer.
»Das nervt mich!«, sagt er. »Lass uns was Richtiges spielen«, meint er zu mir. »Mit echter Action!«
»Wo Elysia nicht gewinnen kann!«, ruft Liesel begeistert.
»Was denn?«, frage ich.
»Darf ich auch mitspielen?«, fragt Liesel.
»Nein. Dafür bist du noch zu klein«, sagt Ivan zu Liesel. Er aktiviert sein Relay und gibt einen Befehl nach draußen. »Elysia und ich gehen Gleitschirmfliegen von den Felsen.«
Es fühlt sich so an, als würden wir am Rand des Nichts stehen, am Ende der Welt.
Ich verspüre in meinem Körper nicht die chemische Reaktion eines Adrenalinstoßes, aber ich kann mir in etwa ausmalen, was er bewirkt, wenn ich in Ivans Gesicht sehe. Dort erkenne ich eine Mischung aus Vorfreude, Furcht und Entschlossenheit. Wir werden uns in die Tiefe hinabstürzen, nicht ganz ungefährlich. Astrid, so hat er mir erzählt, habe Höhenangst
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