BETA (German Edition)
sie. »Und du auch!«
Wir sind so in unser Gespräch vertieft, dass wir nicht bemerken, wie jemand sich in mein Zimmer schleicht. Auf einmal steht Liesel vor uns, ihren Teddybär im Arm. Sie lutscht am Daumen und schaut uns mit großen Augen an.
»Liesel!«, sage ich. »Du weißt, was Mutter gesagt hat. Daumenlutschen ist etwas für Babys, nicht für große Mädchen. Was machst du hier, mein Schatz?«
»Ich hab Angst.« Sie starrt auf Xanthes blutendes Handgelenk und fängt an zu weinen.
Ich gehe zu ihr und nehme sie in die Arme. Sie lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter. »Bist du ein defekter Klon, Xanthe?«, fragt sie.
»Nein, natürlich nicht«, sagt Xanthe, aber es klingt nicht sehr überzeugend. »Soll ich dir eine warme Milch machen, damit du besser einschlafen kannst?«
Liesel schüttelt den Kopf. »Nein! Geh, Xanthe. Ich hab Angst vor dir.«
Xanthe sieht mich an und ich nicke wortlos. Ich komme mit Liesel schon zurecht. Als Xanthe das Zimmer verlassen hat, sagt Liesel: »Du bist keine böse Beta wie die, die die Bombe gelegt hat, oder? Das bist du doch nicht, meine Elysia?«
Ich streiche ihr über die Haare. »Nein, Liesel, ich bin eine gute Beta. So wie Xanthe auch. Wir sind beide gut. Ich hab dich lieb. Ich hab dich so lieb wie eine Schwester.«
Ich spüre ihre Tränen auf meiner Schulter. »Astrid fehlt mir«, sagt sie. »Aber du würdest mir noch mehr fehlen, wenn du gehst. Bitte geh nicht weg, Elysia.«
»Ich lass dich nicht allein«, verspreche ich ihr.
Doch schon bald brauche ich Liesel nicht mehr über ihre Ängste hinwegzutrösten. Als Mutter nämlich nach Hause kommt und merkt, dass Liesel immer noch wach ist und sich wegen der Bombe Sorgen macht, beschließt sie, ihr ein paar von ihren eigenen Beruhigungstabletten zu geben. Liesel braucht mich nicht mehr an ihrem Bett, weil sie in einen künstlichen Schlaf versunken ist, was mir gar nicht gefällt. In dieser Nacht hätte ich nämlich nichts dagegen gehabt hat, ihren warmen, unruhigen Körper zu spüren, der sich an mich schmiegt. Aber mir wird nur die Dunkelheit und Leere meines Zimmers Gesellschaft leisten.
Allerdings nur so lange, bis der Governor ohne anzuklopfen plötzlich das Zimmer betritt und das Licht anmacht.
Wir waren vorher noch nie allein in einem Raum. Ohne die übliche Ansammlung von Mitarbeitern oder Familienmitgliedern um ihn herum wirkt er breiter als üblich, weil sein beträchtlicher Leibesumfang nicht durch andere Personen halb verdeckt wird. Er schließt die Zimmertür hinter sich.
»Ich muss dir ein paar Fragen stellen«, sagt er.
»Ja, Governor.«
Der Governor kommt auf mein Bett zu. Er lächelt mich nicht an, wie Mutter das immer tut. Er ist ganz Autoritätsperson.
»Hast du diese andere Beta namens Becky gekannt?«
»Ja, Governor. Wir waren kurze Zeit zusammen in derselben Boutique, bevor Mutter mich dann gekauft hat.«
»Hat sie sich da seltsam verhalten?«
»Was meinen Sie mit seltsam, Governor?«
»Die Händlerin in der Boutique hat ausgesagt, dass Becky sich in jüngster Zeit seltsam verhalten habe. Wild und ungehorsam, wie ein menschlicher Teenager in ihrem Alter. Keine Autorität respektiert, sich nicht an die Regeln gehalten.«
»In der Zeit, in der ich sie kannte, war sie unauffällig. Da waren wir beide noch nicht lange aus dem Labor entlassen.«
»Teenager-Klone gibt es bisher nur in der Beta-Version, weil die Hormone bei Jugendlichen so verrückt spielen. Selbst die besten Wissenschaftler wissen immer noch nicht genau, wie sie den Übergang vom Teen-Klon zum Erwachsenen-Klon programmieren sollen. Dieser unglückliche Vorfall zeigt uns wieder einmal, wie wichtig es ist, das zu begreifen. Vielleicht waren es ja die Hormone dieser Beta, die sie zu so einer bösen Tat getrieben haben.« Er setzt sich auf mein Bett. Warum glaubt der Governor nicht daran, dass Becky durch den Konsum von Raxia zu einem defekten Klon mutierte, wie es den Einwohnern der Insel erzählt wurde? Warum redet er auf einmal von Hormonen, die bei Teenagern verrücktspielen? »Wir wollen aber nicht, dass es bei dir auch dazu kommt. Der Meinung bist du doch auch, oder?«
»Nein, das will ich nicht, Governor.«
»Die Beta wird im Labor ausführliche Tests über sich ergehen lassen müssen. Bei dir wird das vielleicht auch der Fall sein.«
Mein Körper verkrampft sich. Ich habe Angst. Ich spüre, dass ich große Angst habe.
Der Zeigefinger des Governor berührt leicht mein nacktes Knie, knapp unterhalb des Saums von meinem
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