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Beth

Beth

Titel: Beth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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als Matratze dienten. Ein ums andere Mal war ich aufgestanden, in der Enge meiner Kammer hin und hergelaufen, nur um mich meiner schmerzenden Füße zu erinnern und der Tatsache, daß ich vor Erschöpfung in Schlaf fallen mußte - und doch gelang es mir nicht.
    Ich wußte nicht, woher meine Unruhe rührte. Ganz gewiß lag sie nicht an den lamentierenden Lauten, die der Nachtwind durch das glaslose Fenster an mein Ohr trug. Trotzdem wünschte ich mir, gereizt wie ich war, daß ich ein anderes Quartier gewählt hätte, weit weg von dieser »Klagemauer«.
    Für die Juden hieß dieses letzte Relikt jenes Tempels, den Salomon einst hatte errichten lassen, bis heute Westmauer, Kothel HaMa'aravi auf hebräisch. Dabei handelte es sich um den letzten Überrest vom westlichen Teil der Stützmauern des Plateaus des Jahwe-Heiligtums der Juden. Sie spürten hier die Shechina, die Gegenwart Gottes, und fanden sich deshalb zum Beten an ihrem Fuße ein. Die Christen faßten diese Gebete als Wehklagen auf, und daher kam ihre Bezeichnung »Klagemauer«.
    Ich konnte die Namensgebung in dieser Nacht nur allzu gut nachvollziehen ... Aber meine Schlaflosigkeit konnte nicht in den jüdischen Gebeten ihren Grund haben. Die Müdigkeit hätte mich eigentlich taub dafür machen müssen. Statt dessen aber spürte ich ein Kribbeln wie von Ameisenheeren, die geradewegs durch mein Fleisch marschierten, in mir; eine Nervosität, die mich belebte, ohne jedoch die bleierne Schwere aus meinen Gliedern vertreiben zu können.
    So lag ich also da, müde zwar und doch nicht imstande, die Augen für mehr als ein paar Minuten geschlossen zu halten. Und das Räderwerk meines Denkens lief ohne Unterlaß .
    Je länger es Gedanke um Gedanke produzierte, desto absurder schien mir alles. Mein ganzes Vorhaben war - reiner Wahnsinn! Wie auch mein Leben .
    Ich dachte an Tobias Stifter. Und ich sehnte mich nach seiner Wärme, die mir selbst eine Nacht wie diese erträglich gemacht hätte.
    Ich dachte an Uruk. Und ich fragte mich, was ich dort vorfinden und vor allem tun würde. Hatte ich denn mehr als nur eine Idee? Fehlte mir nicht ein Plan?
    Ich dachte an Lilith Eden. Und ich verbat mir die unzähligen Fragen, die ihr bloßer Name in mir aufwarf. Die widersprüchlichen Emotionen, die sie in mir wachrief, vermochte ich indes nicht so leicht zu kontrollieren und zu besänftigen. Ich spürte nur, daß Haß noch immer eines der mächtigsten darunter war. Gut so .
    Meine Ruhe zu finden, dabei halfen mir die hochgepeitschten Gefühle freilich nicht. Im Gegenteil drehte ich mich nun noch öfter von einer Seite zur anderen.
    Inzwischen mußte eine weitere Stunde vergangen sein. Die Gebete der Juden an der Westmauer klangen weniger laut zu mir, nur ein paar Männer und Frauen schienen entschlossen zu sein, Gott die ganze Nacht hindurch anzuflehen, ihm zu danken und ihn zu bitten, worum auch immer.
    Gott, dachte ich, und bitterer Geschmack sammelte sich auf meiner Zunge. Was mochte ich in Seinen Augen sein? Ob ich Ihm wohl noch als verlorenes Schaf galt? Oder war ich längst jenseits von Gut und Böse?
    Müßig, darüber nachzudenken. Aber meine Gedanken entzogen sich seit Stunden schon meiner bewußten Steuerung.
    Verdammt, was war es nur, das mich nicht schlafen ließ? Hatte es mit dem Fremden zu tun, dessen Blick mich drüben im Speisesaal für Sekunden in Bann geschlagen und, wie ich meinte, noch bis hierher verfolgt hatte? Das war Nonsens! Ich hatte auf meiner Reise wahrlich wundersamere und unangenehmere Dinge erlebt, und keines davon hatte mich um den Schlaf gebracht.
    Schritte klangen auf, draußen auf dem Flur. Nichts Ungewöhnliches, schließlich hatte nicht nur ich Quartier in dieser Herberge bezogen. Daß diese Schritte meine Tür jedoch nicht passierten, sondern unmittelbar davor verstummten, war schon seltsam. Und das Kratzen und Schaben am Holz der Tür schließlich alarmierte mich regelrecht!
    Ich fuhr im Bett auf, starrte sitzend zur Tür hin, deren Rechteck sich im Dunkeln nur schwach vom schattengrauen Mauerwerk ab -hob.
    Den Riegel hatte ich von innen vorgelegt, und trotzdem schwang die Tür jetzt auf. Spaltbreit erst nur. Ein schmaler Streif von Kerzenlicht kroch wie etwas Lebendiges zu mir herein.
    Wer war es, der da in meine Kammer dringen wollte? Unwillkürlich dachte ich wieder an den Fremden, dessen Anblick mich am Abend so tief beunruhigt hatte.
    Knarrend bewegte die Tür sich um ein weiteres Stück. Die Kontur einer Gestalt zeichnete sich im

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