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Betörend wie der Duft der Lilien

Betörend wie der Duft der Lilien

Titel: Betörend wie der Duft der Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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sein.“
    „Als englischer Lord, meinen Sie? Wir alle müssen die Rolle spielen, in die wir hineingeboren werden. Oder, Calliope?“ Erwischt. Tat sie nicht seit Jahren das, was andere von ihr erwarteten: ihre vermeintliche Pflicht? „Vielleicht gehe ich eines Tages dorthin zurück“, fügte er hinzu. Hinter ihr wurde ein Fensterladen geöffnet, und jemand kippte einen Eimer aus. Das Haus erwachte.
    „Ich sollte hineingehen.“ Sie wäre gerne noch bei den Banditen und den sonnigen Tälern verweilt. „Aber beim Picknick müssen wir noch einmal über die Liste sprechen.“
    Er nickte, und sie lief ins Haus, in dem mittlerweile zahlreiche Dienstboten Kleider zum Bügeln, Wassereimer und Frühstückstabletts umhertrugen. Noch immer mit der Vision der verwegenen Banditen vor Augen, zog sie sich in ihr Zimmer zurück.
    Cameron blickte versonnen auf die Tür, auch als Calliope längst dahinter verschwunden war. Er hatte sie nie zuvor mit offenem Haar gesehen. Die langen schwarzen Locken, die sich ungebändigt über ihre Schultern und ihren Rücken ergossen, waren wunderschön. So ähnelte sie nicht mehr Athene, sondern einer Waldnymphe, die lachend und frei unter dem Baldachin eines uralten Hains umherlief.
    Unter dem Baldachin eines uralten Hains? Verdammt, es musste ihn ganz schön erwischt haben, wenn er zu solch billiger Poesie Zuflucht nahm. Calliope Chase war eben eine ganz besondere Frau, die seine Gedanken und Fantasien zunehmend beherrschte.
    Neuartige Fantasien: Hand in Hand mit ihr barfuß an einem griechischen Gestade entlangspazieren und sich von den blaugrünen Wellen umschmeicheln lassen. Sie unter der heißen Mittelmeersonne küssen, das Salz auf ihren Lippen schmecken.
    Cameron wandte sich vom Haus ab und schritt weit aus, als könne er so seinen Erinnerungen entfliehen. Den Erinnerungen an den Abend in der Altertumsgesellschaft, an ihren Körper, der sich in der Dunkelheit an den seinen geschmiegt hatte.
    Und dann diese Liste. Die seltsamen Namen, die klangen, als hätten irgendwelche albernen Jünglinge einen Geheimclub gegründet: Karl der Große, die graue Taube, die violette Hyazinthe. Der pompöse, altertümliche Stil passte durchaus zu Averton. Aber wozu? Warum so etwas aufschreiben und dann bei der Alabastergöttin verstecken? War es wirklich der Nervenkitzel, der ihn antrieb? Und welche Rolle spielte Clio dabei?
    Er würde schon noch dahinterkommen.
    Am Nachmittag forderten das üppige Picknick, die warme Sonne und der Schlafmangel ihren Tribut. Calliope lehnte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm, schloss die Augen und lauschte dem Plätschern des Flüsschens und dem an- und abschwellen den Gemurmel der anderen, die am Ufer spazieren gingen. Wie schön, ein paar Minuten einfach nur zu sein. Alle Träume und Sorgen abzustreifen.
    Als sie Cameron ganz in der Nähe ein Liedchen summen hörte, schlug sie die Augen auf. Er hatte sich am anderen Ende der Picknickdecke ausgestreckt und sein schönes Gesicht der Sonne zugewandt. Als sie ihm zulächelte, griff er nach dem Saum ihres Kleids und tat so, als wolle er sie zu sich hinunterziehen.
    Sie trat spielerisch nach ihm und sagte: „Ich dachte, Sie wären mit den anderen unterwegs.“
    Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Nicht mit so vielen Zitronentörtchen im Bauch. Außerdem sollten wir die Sonne genießen, solange sie noch scheint. Der Himmel trübt sich gewiss schnell genug wieder ein.“
    „Sehr richtig.“ Calliope betrachtete seine Finger, die immer noch mit ihrem Kleidsaum spielten. „Was für ein schöner Tag. Lauter Blau- und Gelbschattierungen.“
    „Die Griechen haben die Farben anders empfunden als wir: nicht als Schattierungen, sondern als Licht.“
    „‚Strahlendes, veilchenbekränztes Athen‘.“
    „Genau. Ich habe Pindars Verse erst richtig begriffen, als ich es selbst gesehen habe. Dieses seltsame Leuchten!“
    Calliope sah träge zu den anderen hinüber, die jetzt singend am Ufer saßen. Mit der Sonne im Haar und auf den pastellfarbenen Musselinkleidern sahen sie aus wie Blumen. Heute fiel es ihr leicht, Farben als Licht statt als Schatten aufzufassen. „Erzählen Sie mir etwas über Griechenland“, bat sie. „Ich habe mich mein Leben lang damit beschäftigt, das Land aber nie gesehen. Schon gar nicht so wie Sie, an der Seite von Banditen.“
    Cameron lachte. „Griechenland ist heiß. Trocken, durstig. Durch die vielen tief eingeschnittenen Buchten wirkt das Land trotzdem, als bestünde es zur

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