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Betörend wie der Duft der Lilien

Betörend wie der Duft der Lilien

Titel: Betörend wie der Duft der Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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Kindheit, Cameron?“
    Er spielte versonnen mit ihrem Haar. „Ich empfand sie als ganz normal. Ich dachte wohl, alle Leute zögen ständig um: von Florenz nach Neapel, an den Genfer See, nach Rom und nach Wien. Mir gefiel es, neue Orte und andere Lebensweisen zu entdecken.“
    Andere Lebensweisen. Ich habe nur eine einzige kennengelernt. „Warum haben deine Eltern so nomadisch gelebt? Wegen der Studien deines Vaters?“
    „Das zum einen. Er war dauernd auf der Suche nach neuen Objekten, genau wie viele unserer Freunde. Aber außerdem …“
    „Was außerdem?“
    „Meine Mutter hat sich … in England nie richtig wohlgefühlt.“
    Calliope wusste im Grunde nichts über Lady Westwood, außer dass sie Griechin gewesen war. Und sehr schön, wenn sie sich an die wenigen flüchtigen Begegnungen in ihrer Kindheit erinnerte. Cameron hatte seine klassischen Züge und die cognacbraunen Augen sicherlich von ihr geerbt. „Hatte sie Heimweh?“
    „Vielleicht. Und sie war ein melancholischer Typ, auch wenn sie sich mir gegenüber immer heiter und freundlich gab. Sie hat mir ständig Geschichten über ihre Kindheit oder über irgendwelche griechischen Gottheiten erzählt. Artemis war ihr die liebste. Aber schon als Kind habe ich die Verlorenheit in ihrem Blick erkannt. Die Trauer darüber, dass sie unter Leuten leben musste, die sie nie so ganz akzeptiert hatten.“
    „Aber sie war doch eine Countess!“ Das Schicksal dieser unglücklichen Frau, die sie nie näher kennengelernt hatte, betrübte Calliope.
    „Und zugleich die Tochter eines griechischen Gelehrten. Sie wurde schon eingeladen, und sie fand auch ein paar Freunde – deine Eltern zum Beispiel. Aber ich glaube, ihr fehlte die Wärme ihrer Heimat, die Herzlichkeit der Menschen dort. Vor allem sehnte sie sich nach Delos, dem Geburtsort von Apoll und Artemis, an den ihr Vater sie oft mitgenommen hatte.“
    „War sie wenigstens auf den Reisen durch Europa glücklich?“
    „Zumindest weniger unglücklich. Mehr Sonne, offenere Menschen … Sie ist aber nie nach Griechenland zurückgegangen. Ich war noch ein Kind, als sie in Neapel starb. Dann wurde ich nach England auf ein Internat geschickt.“
    „Also bist du an ihrer Statt nach Griechenland gereist.“
    Cameron lachte. „Da ist wohl etwas dran, obwohl ich mir dessen nicht bewusst war. Ich wollte einfach nur sehen, ob ihre ganzen Geschichten stimmten.“
    „Und?“
    „Es war fantastisch. Ein größeres Geschenk hätte sie mir nicht machen können.“
    Calliope sah ihm in die Augen und bemerkte einen sehnsüchtigen Glanz darin. „Sie hat dir deine Freiheit geschenkt.“
    „Meine Freiheit?“
    „Das ist es, worum ich dich immer beneidet habe. Dass du dich nicht darum scherst, was andere über dich denken, sondern einfach deinen Weg gehst.“
    „Das stimmt nicht, Calliope. Ich kümmere mich nicht sonderlich um die Spielregeln der sogenannten besseren Gesellschaft, die meine Mutter so von oben herab behandelt hat. Aber es berührt mich durchaus, was andere Leute von mir halten, die Saunders zum Beispiel. Oder du.“
    „Ich?“
    „Ja, deine Missbilligung war äußerst schmerzlich, Athene.“
    Calliope lachte erstaunt auf. „Wer hätte das gedacht! Aber ich habe meine Meinung ja gründlich revidiert.“
    „Du findest Ungebundenheit beneidenswert?“
    „Ja, manchmal.“
    „Und ich habe dich immer um deine Familie beneidet.“
    „Was? Meine wilde, anstrengende Familie?“
    „Aber ja. Deine Schwestern und du, ihr steht euch so nah, dass niemand euch je wird entzweien können. Auf jemanden ohne Familie wirkt das ungeheuer erstrebenswert.“
    „Ich liebe sie ja auch, indes wünschte ich …“
    „Was wünschst du dir, Calliope?“
    Sie stützte sich auf ihren Ellbogen und schluckte. Sollte sie es aussprechen? Nicht einmal Clio hatte sie das je gestanden. Er sah erwartungsvoll zu ihr auf.
    „Als meine Mutter starb“, sagte sie bedächtig, „saß ich an ihrem Bett und hielt ihre fiebrige Hand. Sie nahm mir das Versprechen ab, dass ich mich stets um meinen Vater und meine Schwestern kümmern würde. Sie sagte, sie könne in Frieden sterben, weil sie mich als fürsorglichen und verantwortungsvollen Menschen kenne und wisse, dass ich den Mädchen die Mutter gut ersetzen würde.“
    Cameron schob seine Finger zwischen die ihren. „Sie hat eine schwere Last in diese zarten Hände gelegt.“
    Calliope zuckte abwiegelnd mit der Schulter: Sie tat doch nur ihre Pflicht. Aber damals, am Sterbebett, hatte sie diese

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