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Betörend wie der Duft der Lilien

Betörend wie der Duft der Lilien

Titel: Betörend wie der Duft der Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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Last tatsächlich als bleischwer empfunden, als Ketten, die sie für immer fesselten. „Ich war die Älteste, und ich hatte mich schon immer um meine Schwestern gekümmert. Seit Clios Geburt.“
    Doch Cameron ließ nicht zu, dass sie es herunterspielte. Er drückte ihre Hand fester. „Meine süße Athene, die mit allem fertig wird. Natürlich liebst und umsorgst du deine Familie, aber du musst diese Last doch nicht alleine tragen.“
    „Wie meinst du das?“
    „Ich meine … ich habe zu viel Freiheit, und du hast zu viel Verantwortung. Lass uns teilen.“
    Calliope setzte sich auf und sah ihn argwöhnisch an. War das etwa …?
    Er zog sie auf seine Brust und strich ihr über das zerwühlte Haar, als wollte er einen verschreckten Vogel beruhigen. „Wir passen doch gut zusammen, oder?“
    Sie atmete tief ein. „Wie bitte? Wir streiten uns immer.“
    „Nicht immer. Wir haben uns jetzt seit mindestens zwei Stunden nicht gezankt.“
    Sie musste lachen. „Wir hatten den Mund nicht frei.“
    „Ah, na also, ein Scherz! Du bist schon ein bisschen freier geworden.“ Er legte die Arme noch enger um sie. „Und jetzt entspann dich. In ein paar Stunden bricht der Tag an.“
    Ein paar Stunden, um ihr ganzes Leben zu ändern …

20. KAPITEL

    „Vielleicht haben die Herren Lust, sich das hier anzusehen, solange die Damen im Dorf ihre Einkäufe erledigen“, sagte Lord Kenleigh und zog ein in Seide gebundenes Album aus seinem versteckten Safe in der Bibliothek. „Lady Kenleigh weiß natürlich nichts davon. Ich habe es vor Jahren in Italien gekauft.“
    Cameron schenkte dem Album mit den erotischen Stichen von allerlei Göttinnen und mythologische Gestalten wenig Beachtung. Seine Gedanken wanderten ständig zu Calliope zurück, zu der ansteckenden Leidenschaft, die sie letzte Nacht gezeigt hatte.
    Ihre dunklen Augen mussten ihm völlig den Verstand geraubt haben; warum sonst hatte er sich auf ihr Vorhaben eingelassen, dem Liliendieb das Handwerk zu legen? Jeder, der raffiniert genug war, Lady Tenbrays Diadem zu stehlen, würde ihren stümperhaften Nachforschungen ohnehin entgehen. Und Cameron konnte den Dieb durchaus verstehen: Averton und seinesgleichen waren dieser Prunkstücke einer alten Kultur einfach nicht würdig.
    Aber inzwischen konnte er auch Calliopes Standpunkt nachvollziehen. Diebstahl war keine Lösung, ganz gleich, aus welchen Motiven. Diebstahl war kein Kavaliersdelikt und wurde in England hart geahndet. Und Cameron wurde den Verdacht nicht los, dass der Missetäter Calliope näherstand, als ihr lieb sein konnte. Vielleicht war es sogar eine ihrer geliebten kunstverständigen Damen.
    Er wollte so gern verhindern, dass sich in diesen schönen Augen der Schmerz breitmachte und Calliope ihre wundervolle Zuversicht einbüßte. Vor allem nach letzter Nacht.
    Cameron bemerkte, dass Herr Müller an den unanständigen Stichen von Leda und dem Schwan ebenso wenig interessiert war wie er und sich lieber die konventionelleren Gemälde an den Wänden ansah. Er gesellte sich zu ihm. Der Gelehrte betrachtete gerade „Cupido, der Jugend die Augen verbindend“: Eine winzige, rosig-weiße Putte band einer jungen Frau lachend ein Tuch vor die Augen. Ihr weißes Seidengewand war halb herabgerutscht, aber lange, dunkle Locken bedeckten ihre nackten Schultern. Auch sie lachte und hatte eine Hand ausgestreckt, als wolle sie nach dem Betrachter greifen.
    Sie sah aus wie Calliope in einem ihrer seltenen Momente überbordender Fröhlichkeit: die gleichen Lippen, und dieser rosige Schimmer auf ihren Wangen …
    „Sehr gelungen, wirklich.“
    „Dieses hier ist auch sehr schön.“ Herr Müller wies auf ein Gemälde, das Sokrates und seine Anhänger zeigte. Es weckte in Cameron keinerlei Gefühle, auch wenn es fraglos gekonnt ausgeführt war.
    „Diese Säulen und die Treppe hier, auf der Sokrates sitzt“, schwärmte Müller. „Und die Farben … Es verbildlicht alles, was wir an der Klassik lieben, nicht? Symmetrie und Ordnung.“
    Cameron lächelte. „Mancher würde sagen, Symmetrie und Ordnung seien kalt und leblos.“
    „Aber wir beide wissen, dass das nicht stimmt, Lord Westwood! Die griechische Formenwelt ist streng geometrisch, aber zugleich voller Leben.“
    Cameron warf einen Blick zurück auf die schwarzhaarige Jugend. „Leidenschaft und Disziplin, friedlich vereint?“
    „Genau das, Lord Westwood. Sie waren in Griechenland, Sie müssten diesen Widerspruch von Rationalität und Emotion besser verstehen als die

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