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Betörend wie der Duft der Lilien

Betörend wie der Duft der Lilien

Titel: Betörend wie der Duft der Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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Cameron. „Sie müssen über all die Jahrhunderte eingegraben gewesen sein, um so intakt zu bleiben.“
    Calliope stand dicht genug neben ihm und kannte ihn mittlerweile auch gut genug, um die geballten Hände und die gepresste Stimme zu deuten: Die weißglühende Wut war wieder da, mit der er in London über die Brutalität Avertons gegenüber Frauen gesprochen hatte. Um ihn zu beschwichtigen, zupfte sie ihn am Ärmel und wies auf eine Amphore.
    „Das Motiv erinnert mich an dich und den Duke“, sagte sie lachend. Zwei Männer, Herakles und Antaios, rangen miteinander, und zwei Göttinnen standen mit leidenschaftslosen Mienen neben ihnen. Die Muskulatur der auf Leben und Tod miteinander Kämpfenden war exzellent herausgearbeitet, und es war nicht zu übersehen, dass Antaios verlor. Der Tod stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Vielleicht doch nicht so geeignet, um Cameron auf andere Gedanken zu bringen … „Ich hoffe, du hast nicht vor, heute eine solche Szene zu veranstalten.“
    „Keine Sorge“, sagte er lachend. „Und überhaupt fehlt mir dazu der Widerpart. Wo bleibt unser Gastgeber bloß?“
    Calliope wandte sich vom bleichen Antaios ab und betrachtete einen verblassten Wandteppich, der eine Ernteszene zeigte. Das Schloss im Hintergrund sah fast aus wie Averton Castle. „Hast du noch einmal über die Liste nachgedacht?“
    Ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Ja, und es könnte sein, dass ich etwas entdeckt habe.“
    „Wirklich?“ Endlich! „Du bist offenbar klüger als ich. Ich werde einfach nicht schlau daraus.“
    „Es war reiner Zufall, kein Geistesblitz. Aber ich kann hier nicht darüber reden.“
    Calliope sah sich um. Außer Clio, die auf Zehenspitzen zu einem der schmalen Fenster hinaufsah, als wollte sie davonfliegen, standen alle rings um den Kamin am anderen Ende. „Aber hier kann uns doch niemand hören!“ Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, aus dem jede Spur von Heiterkeit gewichen war, verstummte sie. Die Neuigkeiten waren offenbar sehr ernst, und sie zweifelte plötzlich daran, ob sie sie wirklich erfahren wollte.
    Ihr ging auf, dass sie die Suche nach dem Dieb bisher auf die leichte Schulter genommen hatte. Das Schicksal der Antiquitäten hatte sie ernsthaft bedrückt, aber der Dieb selbst war ein Abstraktum geblieben, eher ein Symbol für den illegalen Antiquitätenhandel als eine reale Person. Aber sie war schon zu weit gegangen, um jetzt aufzugeben.
    „Weißt du, wer es ist?“, flüsterte sie.
    „Vielleicht. Zumindest ein Glied in der Kette. Lass uns später darüber reden. Jetzt sollten wir uns zu den anderen gesellen. Und … ich finde, du solltest deine Gesellschaft der kunstverständigen Damen heute gut im Blick behalten.“
    „Meine Freundinnen?“ Calliopes Magen krampfte sich zusammen. „Sind sie in Gefahr?“
    „Bitte, Calliope. Bleib einfach in ihrer Nähe.“ Er ging zur Gruppe am Kamin hinüber.
    Sie wollte ihn gerade aufhalten, doch plötzlich wehte ihr kalte Luft um die Knöchel. Der Zug, der den Saum ihres Kleids erfasst hatte, schien von dem Wandteppich auszugehen.
    Calliope hob eine Ecke des Gobelins an und entdeckte einen schmalen Türspalt. Ein Eingang zu einem Gang vielleicht? Sie dachte an den Treppenschacht bei der ehemaligen Abtei. Diese Gegend wartete mit mehr Geheimtüren auf als Lottys Romane! Mit den Fingerspitzen tastete sie die Tür ab. Sie war nahtlos in die Mauer eingefügt, bis auf eine kleine Erhebung am Scharnier.
    Knarrend öffnete sich die eigentliche Tür des Saals, und ihr Gastgeber trat ein. Calliope ließ den Teppich an seinen Platz zurückfallen. Averton trug einen modischen burgunderfarbenen Frackrock zu hellen Kniehosen und hatte sein Haar zurückgebunden. Mit stechendem Blick musterte er seine Gäste, und Calliope faltete wie ein ertapptes Kind die Hände zusammen, damit er ihr Zittern nicht bemerkte.
    „Guten Abend zusammen“, sagte Averton. „Bitte entschuldigen Sie meine Verspätung; es kam etwa dazwischen, das keinen Aufschub duldete.“
    „Keine Ursache, Euer Gnaden“, erwiderte Lady Kenleigh. „So haben wir in Ruhe Ihre ungewöhnliche Halle begutachten können.“
    „Ja, ja, meine mittelalterliche Burg.“ Der Duke legte eine Hand auf den Kaminsims, sodass die Smaragde und Rubine seiner Ringe im Licht des Feuers glitzerten. „Eine Schwäche, die wohl von den König-Arthur-Geschichten herrührt, die ich als Junge gelesen habe. Die Tafelrunde, die Turniere, die Suche nach dem Heiligen Gral …“
    „Und

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