Betörende Versuchung
kann. Ich weiß, wie das ist, Arabella. Ich kenne es. Ich werde nie vergessen, eines Nachts, nicht lange vor der Sache mit meinem Vater ... stand ich in meinem Zimmer vor dem Spiegel, und plötzlich, unvermittelt, hatte ich das Glas zerschlag-en. Ich habe mich gebückt, eine große Scherbe aufgehoben und an mein Gesicht gehalten ... « Er machte eine heftige, eindeutige Handbewegung.
Arabella wurde es eng ih der Brust und sie starrte Justin voller Schrecken an; starrte in seine edlen Züge. »Justin«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Justin, nein -«
Er ließ die Hand sinken. » Offenbar habe ich es ja nicht fertig gebracht. Aber j etzt weißt du es, Arabella. Jetzt kannst du die Hässlichkeit sehen, die in dem schönsten Mann von ganz England steckt. Jetzt siehst du, was für ein Feigling ich bin. Aber schließlich hast du stets gewusst, wie ich bin.«
»Oh, Gott, Justin. Du kannst doch nichts dafür. Du kannst für gar nichts etwas. Er hat dich vergiftet -«
»Gift. Ja, das bin ich. «
Seine Selbstverachtung ließ sie wieder zu sich kommen. Eine einzige Träne lief unbeachtet über ihre Wange. Sie schlang die Arme um seine Tadle, umklammerte ihn und legte ihre Wange an seine Schulter.
»Hör auf damit. Wenn du ... wenn du dein wunderschönes Gesicht zerschnitten hättest ... ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen. «
Er drehte sich um. »Warum klagst du mich nicht an? Warum hasst du mich nicht? «
»Lass das sein«, sagte sie mit Entschlossenheit. »Sag
nicht so etwas. Denk es nicht einmal! «
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Hast du gar nichts davon mitbekommen?«
» Ich habe alles gehört. Alles. «
»Warum bist du dann noch hier? Wie kannst du noch meine Nähe ertragen? Mich berühren? «
Sie hörte genau heraus, wie er bemüht war, das Gefühl in seiner Stimme zu unterdrücken - und es nicht schaffte. Seelischer Schmerz überwältigte sie. Sie hatte ein Stückchen in seine Seele blicken dürfen, und sie konnte sich jetzt nicht von ihm abwenden. Er brauchte sie. Vielleicht wusste er es selbst noch nicht, aber es war so. Sie könnte ihn niemals verlassen. Sie würde ihn nie verlassen.
Sie atmete tief durch. Sie schaute tränenverschleiert zu ihm auf, es war ihr egal, dass Schmerz in ihren Augen lag. »Ich bin deine Frau, Justin. Was für eine Frau wäre ich wohl, wenn ich nicht dein Leben und deinen Schmerz teilte? Eine Frau gehört an die Seite ihres Mannes ... und ich gehöre zu dir. «
»Oh , mein Gott.« Seine Stimme wurde rau. »Ich habe dich wieder zum Weinen gebracht. «
»Das ist in Ordnung«, entgegnete sie tapfer mit brüchiger Stimme. »Halt mich einfach fest, Justin. Halt mich, und lass mich nicht mehr los. «
Mit starken Armen zog er sie fest und ganz nahe an sich, genau dahin, wo sie sein wollte. Leidenschaftlich küsste er sie auf die zitternden Lippen, die sie ihm darbot, schlang seine Arme um ihren Rücken und hob sie hoch.
Dieses Mal, als er sie aufs Bett legte, gab es keine Worte mehr, keine Tränen ... nichts, als die Großartigkeit, ihm zu gehören.
Einundzwanzigstes Kapitel
Es war der Mittwoch der darauf folgenden Woche. Pfeifend schwang sich Justin auf den Sitz seines offenen Zweispänners. Er kam gerade von seinem Anwalt, und obschon ihn dieser Besuch eine stattliche Summe gekostet hatte, entschied er - mit ausgesprochener Befriedigung dass es das durchaus wert gewesen war.
Er kräuselte die Lippen bei dem Gedanken, wie sich die Dinge doch im Laufe des letzten Jahres verändert hatten. Das elegante Londoner Stadthaus war der Anfang seiner Neuerwerbungen gewesen. Dann eine Ehefrau. Und jetzt schließlich ein Landsitz in Kent. Er lachte in sich hinein. Beim Himmel, er war j etzt wohl ohne Frage ein respektabler Gentleman!
Es war schon merkwürdig, überlegte er, wie sein Leben durch eine Ehefrau irgendwie ... einfacher geworden war. Normalerweise wäre es andersherum, vermutete er. Bei den meisten Männern war das wahrscheinlich auch der Fall. Aber schließlich musste er auch ehrlich zu sich sein. Wäre seine Frau durch irgendwelche Zufälle eine andere als eben Arabella, dann hätte sich alles anders entwickelt. Höchstwahrscheinlich, dachte er, wäre er hauptsächlich damit befasst, sich irgendetwas auszudenken, um der Heiratsfalle zu entkommen. Zum Teufel noch mal, eine andere Frau als Arabella hätte er eh nicht geheiratet! Da machte sich Justin gar nichts vor. Ob er sie nun kompromittiert hatte oder nicht - hätte er sie nicht gewollt,
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