Betörende Versuchung
deshalb hatten Mama und Papa darauf bestanden, dass sie eine Zeit lang bei Tante Grace und Onkel Joseph blieb, als Papa vor einem Monat wieder nach Afrika geschickt wurde.
Sie war nicht als noble Londoner Miss aufgewachsen; wahrscheinlich lag es daran, dass sich ihre Gedanken nicht ständig ums Heiraten drehten. Vielleicht taten sie es auch deshalb nicht, weil s ie nie wirklich irgendwo hin ge passt hatte. Ihr Aussehen hatte sie sozusagen stets zu einer Außenseiterin gemacht. Keiner - nicht einmal Georgiana - wusste, dass Arabella keinerlei Ahnung hatte, wo sie hingehörte oder überhaupt sein wollte.
Sollte sie j emals heiraten, dann nur einen Mann, dem ihre Größe nichts ausmachte und der akzeptierte, dass sie lachte, wann sie wollte und sagte, was sie dachte ... ein Mann, der sie um ihrer selbst willen liebte, so wie sie nun einmal war ... mit ihren wilden roten Haaren, schlaksigen Gliedmaßen, Sommersprossen und ...
Ein Mann, der sie auch dafür liebte, was sie ni ch t war und niemals sein würde.
Sie wollte jemanden so lieben können wie ihre Mutter ihren Vater.
Es hatte damals einen ziemlichen Aufruhr gegeben, als ihre schöne, elegante Mutter einen Gatten wählte, der wie eine Vogelscheuche aussah! Und dann auch noch ein Geistlicher! Catherines ältere Schwester Grace war immerhin mit dem Viscount Burwell verheiratet. Doch das, was Arabellas Eltern verband, war eine tiefe und beständige Liebe.
Und Arabella selbst wollte für sich nichts weniger als das.
Sie war in der Tat die Unerreichbare, überlegte sie. Tante Grace war begeistert gewesen, als der erste Heiratsantrag eintraf - und das auch noch von einem Grafen! Umso schockierter war sie, als Arabella Lord Thomas Wilburys Antrag ablehnte. Sie starrte Arabella an, als sei diese nicht ganz bei Troste. Arabella war sicher, dass Tante Grace dies für ihre einzige Hoffnung auf eine Heirat hielt.
Unglaublicherweise folgte sofort der zweite Antrag; diesmal von Phillip Wadsworth. Es war zwar gewiss fürchterlich oberflächlich von ihr, aber es nun mal Tatsache, dass der Mann einen halben Kopf kleiner war als sie. Vielleicht war sie da eitel, aber bei dieser einen Sache war sie ausgesprochen empfindlich.
Der letzte Antrag kam schließlich von Ashton Bentley -dieser Schuft hatte sogar versucht, sie zu küssen! -, und da nahm Tante Grace sie beiseite. Natürlich hatte Arabella sie pflichtgemäß von seinem unziemlichen Verhalten in Kenntnis setzen müssen.
»Arabella, hast du mich gehört? «
Georgianas Frage brachte sie zurück in die Gegenwart. »Worüber haben wir gerade geredet? « , fragte sie, obwohl sie sich an das Thema noch genau erinnerte.
»Justin Sterling«, half ihr die Freundin sofort auf die Sprünge.
»Ach, der. « Arabella hob die Teetasse an die Lippen.
Georgiana verzog das Gesicht. »Genau, der. «
»Er kam doch nur wegen Unerreichbaren-Geschichte«, wiederholte Arabella. »Glaub mir eins, Georgiana, er wäre nicht in meine Nähe gekommen, hätte er gewusst, wer ich bin. «
»Wieso denn das? «
»Weil er mich genauso wenig ausstehen kann wie ich ihn.«
»Arabella, ich muss zugeben, es hat mich wirklich umgehauen, als ich mitbekam, dass du ihn kennst. Warum hast du mir niemals davon erzählt? «
»Was gäbe es da schon zu erzählen? Oh, natürlich habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder etwas über ihn gehört Aber gesehen habe ich ihn nicht mehr, seit ich ein Kind war. Und es gab da in der Tat eine spezielle Begebenheit, die unsere Bekanntschaft charakterisiert. «
»Bitte, erzähl«, drängte Georgiana.
Arabella presste die Lippen zusammen. »Das würde ich lieber ni -«
»Oh, bitte, Arabella! « , bettelte Georgiana.
»Na gut, also dann. Es geschah auf dem Landsitz der Herzoginwitwe in Kent. Ich wollte gerade nach draußen gehen, als ich an einem Raum vorbeikam, in dem zwei Leute miteinander sprachen. Die Tür war nur angelehnt, und ich -ja, ich weiß, das war sehr unziemlich von mir
aber ich stellte mich neben die Tür und lauschte. «
»Wer war da drin? Justin Sterling? « '
Arabella nickte. »Er war dort mit einem Mädchen na m ens Emmaline Winslow. Das werde ich nie vergessen, denn ich fand, sie war das schönste, erhabenste Geschöpf, das es j e auf dieser Welt gegeben hatte. Aber sie weinte, Georgiana, sie weinte. Und selbst während ich dort stand, machte Justin Sterling keinen Hehl aus seinen Gefühlen. Ich werde auch niemals seine Worte vergessen. Er sagte zu ihr, es gäbe genug Frauen, die genauso
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