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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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niemals wollte ichmich ja irgendjemandem mitteilen, dazu hatte ich gar keine Beziehung, es war die reine Ruhmsucht, nichts sonst. Wie gut es ist, Nietzsche und Schönberg, ganz zu schweigen von Reger, nicht herausgegeben zu haben, ich verziehe mir nicht. Ekelt es mich schon vor allen anderen Tausenden und Hunderttausenden von Veröffentlichungen, so ekelte es mich vor den eigenen auf die grauenhafteste Weise. Aber wir entkommen der Eitelkeit nicht, der Ruhmsucht, wir gehen, wie wenn wir es notwendig hätten, mit hocherhobenem Kopf in sie hinein, obwohl wir wissen, daß unsere Handlungsweise eine unverzeihliche und perverse ist. Und wie steht es mit meiner Arbeit über Mendelssohn Bartholdy?, ich schreibe sie doch nicht, um sie nur für mich allein zu schreiben und sie dann, wenn sie fertig ist, liegenzulassen. Ich habe naturgemäß die Absicht, sie zu veröffentlichen, herauszugeben mit allen Konsequenzen. Denn ich glaube tatsächlich, daß diese Schrift jene ist, von welcher ich sagen kann, daß sie meine gelungenste oder besser noch, die am wenigsten mißlungene ist. Ich denke sehr wohl an ihre Veröffentlichung! Aber bevor ich sie veröffentlichen kann, muß ich sie schreiben, dachte ich und ich bin bei diesem Gedanken in Gelächter ausgebrochen, in eines jener von mir so genannten Selbstgelächter, die ich mir im Laufe der Jahre durch das fortwährende Alleinsein angewöhnt habe. Ja, du mußt die Schrift erst schreiben, um sie veröffentlichen zu können!, rief ich aus und belustigte mich an diesem Ausruf. Tatsächlich hatte ich mich durch dieses urplötzliche Gelächter über mich selbst aus meiner Verkrampfung gelöst und ich war aus dem Sessel aufgesprungen und zum Fenster. Aber ich sah nichts. Dicker Nebel klebte an den Scheiben. Ich stützte mich auf die Fensterbank und versuchte, durch fortgesetzte Konzentration darauf, die Mauer auf der anderen Seite des Hofes auszumachen, aber selbst in der äußersten Konzentration darauf, gelang es mir nicht, die Mauer zu erkennen. Nur zwanzig Meter und ich sehe die Mauer nicht! Allein in einem solchenNebel zu existieren, ist Wahnsinn! In einem solchen alles und jedes tausendfach erschwerenden Klima! Es war, wie immer um diese Jahreszeit, bedrückend. Ich klopfte kurz mit dem rechten Zeigefinger an die Scheibe, um vielleicht einen Vogel draußen aufzuschrecken, aber es rührte sich nichts. So wie ich mit dem Zeigefinger ans Fenster getippt habe, tippte ich mir jetzt an den Kopf und ließ mich dann wieder in den Sessel fallen. In zehn Jahren nicht eine gelungene Arbeit!, dachte ich. Naturgemäß bin ich dadurch unglaubwürdig geworden. Meine Schwester verbreitet in ganz Wien und gerade dort, wo es die größte verheerende Wirkung für mich hat, daß ich ein Versager bin. Andauernd höre ich sie zu allen möglichen Leuten sagen: mein kleiner Bruder und sein Mendelssohn Bartholdy . Ungeniert nennt sie mich einen Verrückten vor jedermann. Einen, der im Kopf nicht mehr ganz beieinander ist, ich weiß, daß sie so über mich redet und einen mir ungemein schädlichen Ruf von mir verbreitet. Sie schreckt ja vor nichts zurück, um zu Geld zu kommen, also ihre Geschäfte zu machen und um ihre Gesellschaften nicht zu stören, würde sie mich alles nennen. Sie ist skrupellos. Und sie kann gemein sein. Andererseits, ich habe sie immer geliebt, mit allen ihren Fürchterlichkeiten. Geliebt und gehaßt und einmal liebte ich sie mehr, als ich sie haßte und umgekehrt, aber die meiste Zeit habe ich sie gehaßt, weil sie immer gegen mich gehandelt hat, bei vollem Bewußtsein und das heißt, bei klarem Verstand, der ihr niemals abzusprechen gewesen ist. Sie ist immer der reale Mensch gewesen, wie ich der phantastische. Ich liebe dich, weil du so phantastisch bist , sagt sie öfter, aber es ist mehr Verachtung in dieser Bemerkung als das Gegenteil. Bei einem Menschen wie sie, ist es doch nur die Verlogenheit, wenn sie sagt, ich liebe dich. Oder bin ich der Schauerliche? Zu ihrem Mann hat sie so lange ich liebe dich gesagt, bis der es nicht mehr ausgehalten hat und verschwunden ist. Nach Peru, tatsächlich ans Ende der Welt von hier aus gesehen, aus welchem er nicht mehr zurückgekommenist. Die betrogenen und belogenen und zum Narren gemachten Ehemänner flüchten seit Jahrhunderten nach Südamerika, um nicht mehr zurückzukommen, diese Tatsache hat Tradition. Ich bin ein Mensch für Liebhaber , so meine Schwester. Ich war schon immer ungeeignet für die Ehe. Einen Mann ein Leben lang um

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