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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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versorgen und die nach ihnen mit ausgestreckten hilfesuchenden Händen schreien, mit Ruhmesblättern überschütten und mit Orden überhäufen zu lassen. Diese gefährlichen, wie keine andern selbstgierigen und selbstherrlichen, im Grunde bis tief hinein in ihre seelischen Zentren machtgierigen Leute, die zwischen dem Heiligen Franz von Assisi bis zur Mutter Teresa in die Millionen gehen, und die sich in unzähligen von religiösen und politischen Vereinen auf der ganzen Welt tagaus, tagein nur in ihrer eigenen Ruhmsucht tummeln, verabscheue ich zutiefst. Das sogenannte soziale Element, von welchem ununterbrochen und bis zum Überdruß geredet wird seit Jahrhunderten, ist die gemeinste Lüge. Ihr verweigere ich mich, selbst auf die Gefahr, mißverstanden zu werden, was mir, ehrlich gesagt, immer schon gleichgültig gewesen ist. Meine Schwester veranstaltet mit anderen sogenannten Damen aus der sogenannten gehobenen und höchsten Gesellschaft einen Bazar und stiftet zu den Einnahmen aus diesem Bazar, zu welchem ununterbrochen auch noch das Christkind aus einem fürchterlichen Lautsprecher zu krächzen hat, fünfhunderttausendSchilling und ist sich nicht zu dumm, mir zu erklären, sie meinte es mit den Ärmsten der Armen gut. Aber sie erkannte sehr bald, auch oder gerade weil ich zu ihrem heuchlerischen Unternehmen schwieg, daß ich sie durchschaut hatte. Dafür genießt sie es, daß ihr der Monsignore und Präsident der Caritas, doch nichts als ein alter Partyfuchs, galant die Hand küßt. Mich würde es vor der Hand dieses Herrn grausen. Vor fünfzehn oder sechzehn Jahren schon, als ich selbst zu diesem Herrn noch einen, wenn auch sehr dürftigen Kontakt hatte, bat er, der Kunstund Feinsinn, meine Schwester, sie möge ihm für den ihr in die Hand gegebenen Betrag von achthunderttausend Schilling eine Wohnung auf dem Schottenring einrichten, was meine Schwester auch getan hat; mit lauter Renaissancemöbeln aus Florenz und josefinischen Kostbarkeiten aus zwei ihr in die Hände gefallenen Marchfeldschlössern richtete sie dem Monsignore die Wohnung ein. Als sie damit fertig gewesen war, gab sie für ihn eine Gesellschaft für fünfzig ausgewählte Personen, unter welchen der niedrigste ein irländischer Graf war, den sie nur deshalb zusammen mit dem Monsignore für diesen Abend ausgesucht hatte, weil er im Besitz einer Zwirnfabrik an der Grenze zwischen Niederösterreich und dem Burgenland war, die sie unter allen Umständen an sich hatte bringen wollen, was ihr, wie ich weiß, auch gelungen ist, meiner Schwester gelingt auf diesem Gebiete alles. Für achthunderttausend Schilling, die zweifellos aus Kirchenbeitragsgeldern stammten, richtete meine Schwester dem Monsignore die Wohnung auf dem Schottenring ein, auf einer der besten Adressen und tatsächlich hatte ich meiner Schwester auf den Kopf zu gesagt, daß sie dem Monsignore mit Kirchengeldern die Wohnung eingerichtet hat, um achthunderttausend Schilling, das wären heute sechs oder sieben Millionen. Man stelle sich das einmal vor: der Monsignore richtet sich eine Wohnung um achthunderttausend Schilling ein und wirbt gleichzeitig im Rundfunk in einer weinerlichen, bis in die kleinsten Detailsauf das Betrügerische hin ausgerichteten Sprache, seine Caritasbettelei an die Ärmsten der Armen. Ob sie sich nicht schämte, wollte ich wissen, meine Schwester schämte sich aber nicht, dazu war sie, wie sie selbst sagen würde, zu intelligent und sagte nur: vierhunderttausend sind von mir. Der Monsignore hat nur vierhunderttausend gezahlt. Mich widerte dieser Vorgang an. Aber er ist bezeichnend für die sogenannte Oberschicht, der für immer und ewig anzugehören für meine Schwester zeitlebens der höchste aller Lebenszwecke gewesen ist. Ein Graf mußte schon sehr charmant sein und unendlich viel Geld haben, damit sie sich überhaupt auf eine längere Unterhaltung mit ihm einließ, erst bei den Fürsten fing bei ihr die Normalität an, woher sie diesen fürchterlichen Wahn hat, weiß ich nicht. Ob ein solcher Mensch überhaupt noch das geringste mit der Natur zu tun hat, habe ich mich oft gefragt. Andererseits schlägt jede meiner auf sie gerichteten Betrachtungen irgendwann und zwar von einem Augenblick auf den andern, in Bewunderung um. Der kleine Bruder ist einem solchen strahlenden Menschen, wie sie sich selbst sehr oft bezeichnet, gegenüber machtlos. Ihr Auftreten verändert jeden Raum, alles, gleich wo und wann sie auftritt, ist alles verwandelt, gleichzeitig nur ihr

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