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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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den Hals zu haben, das war mir als Gedanke allein widerwärtig, so sie. Ich weiß nicht, warum ich schließlich doch geheiratet habe. Vielleicht den Eltern zuliebe?, sagte sie. Das von ihrer Ehe zurückgebliebene Geschäft, in welchem es ausschließlich um die ausgedehntesten und erlesensten Millionenbesitzungen Österreichs ging und geht, hat sie, nachdem ihr Mann sie verlassen hat, in einen Zustand versetzt, den die einen, die Seriösen, als abstoßend, die andern aber als unerhört geglückt bezeichnen. Ich selbst gehöre durchaus zu den ersten, ob das richtig ist oder nicht, für mich ist das Leben, das meine Schwester jetzt führt, beschämend, tatsächlich nurmehr noch auf Profit aufgebaut. Am Jahresende eine Millionenspende an die Caritas, von welcher sie selbst befriedigt in den Zeitungen lesen kann und worüber sie sich wochenlang totlachen kann, wie sie selber sagt, das stößt mich ab. Einen ihr von einem plötzlich an Nierenversagen verstorbenen alten Fürsten Ruspoli, den sie einmal in Rom kennengelernt hat und mit welchem sie jahrzehntelang nicht nur Feste gefeiert und korrespondiert hat und von welchem sie behauptete, daß er mit ihr verwandt sei, zugefallenen Palast in der Nähe von Siena, in welchem allerdings schon jahrzehntelang die Ratten das Regiment führten, hat sie vor zwei Jahren der Kirche für ein Altersheim vermacht, an dessen Ausbau sie sich mit zwei Millionen Schilling beteiligte. Als ich sie fragte, ob sie nicht nach Italien fahren und sich den fertiggestellten Palast anschauen wolle, sagte sie glatt nein, es interessiere sie nicht. Sie habe im Grunde nichts übrig für alte Gebäude. Für alte Menschen ja, sagte sie höhnisch, aber nichts für alte Gebäude. Ich muß mich mit der Kirche gutstellen, mein kleiner Bruder,sagte sie, ich fand diesen Vorgang und was sie dazu zu sagen hatte, in höchstem Maße widerwärtig. Aber so ist sie. Immer kreuzt sie mit irgendwelchen Gecken auf, die nur von Nagy geschusterte und auch noch, wie wir sagen, geeiselte Schuhe anhaben und allein dadurch schon einen abstoßenden unnatürlichen Gang haben und behauptet, diese Leute seien mit ihr und also auch mit mir verwandt. Ich habe keine Verwandtschaft, habe ich immer wieder zu ihr gesagt, ich habe nur eine Geistesverwandtschaft, die toten Philosophen sind meine Verwandten. Darauf hatte sie, wie immer, ihr hinterhältiges Lächeln. Aber mit der Philosophie kannst du dich nicht ins Bett legen, mein kleiner Bruder, sagte sie oft, worauf ich genauso oft erwiderte, selbstverständlich kann ich das, ich beschmutze mich dabei wenigstens nicht. Diese Bemerkung hatte dazu geführt, daß sie einmal in meiner Gegenwart, in einer Gesellschaft in Mürzzuschlag, wo sie mich nach pausenlosen Überredungen hingeschleppt hatte, über mich gesagt hat: mein kleiner Bruder schläft mit Schopenhauer. Abwechselnd mit Schopenhauer und mit Nietzsche, worauf sie naturgemäß den erwarteten Erfolg hatte, wie immer, auf meine Kosten. Im Grunde bewunderte ich aber zeitlebens die Leichtigkeit, mit welcher meine Schwester eine Konversation zu führen imstande ist, auch heute noch oder mit Sicherheit heute noch mit einer viel größeren Souveränität, entledigt sie sich der schwierigsten gesellschaftlichen Hindernisse, wenn es für sie solche gesellschaftlichen Hindernisse überhaupt gibt. Woher sie ihr Talent hat, weiß ich nicht, denn unser Vater war an Gesellschaft überhaupt nicht interessiert und unsere Mutter liebte das ganze gesellschaftliche Getue, wie unsere Mutter selbst immer sagte, nicht. Den Geschäftsgeist, der meine Schwester wie nichts sonst auszeichnet und von welchem niemand, der sie nicht so wie ich kennt, etwas ahnt, hat sie von unserem Großvater väterlicherseits, der auch derjenige gewesen war, der unser Vermögen zusammengebracht hat, durch die kuriosesten Umstände, aber immerhin und ganzgleich, auf welche Weise, soviel, daß wir, meine Schwester und ich, noch in der dritten Generation genug zum Existieren haben und wir beide existieren, alles in allem betrachtet, nicht auf das bescheidenste. Denn lebe ich auch in Peiskam allein, gebe ich doch soviel Geld aus, wie andere große Familien nicht zur Verfügung haben im Monat, denn, nur um ein Beispiel zu nennen, wer heizt schon den ganzen Winter über neun Zimmer und nicht zu kleine, nur für sich allein undsofort. Tatsächlich und selbst wenn ich in Betracht ziehe, daß ich der Unfähigste in allen sogenannten Geldangelegenheiten bin, könnte ich noch zwanzig

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