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Beton

Beton

Titel: Beton
Autoren: Thomas Bernhard
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Jahre leben, ohne einen Groschen verdienen zu müssen und dann bliebe mir immer noch die Möglichkeit, nach und nach eine Parzelle nach der andern, ohne das Grundstück wesentlich in Mitleidenschaft zu ziehen und dadurch zu entwerten, zu verkaufen, was ich überhaupt nicht notwendig habe und was im Hinblick auf die Tatsache, daß ich ja nur noch die kürzeste Zeit zu leben habe infolge meiner unaufhörlich und unaufhaltsam fortschreitenden Krankheit, höchstens ein, zwei Jahre, nicht mehr und nicht länger, zu welchem Zeitpunkt dann auch mein Bedürfnis an Leben und Existenz, was immer auf dieser Welt, tatsächlich vollkommen verbraucht sein dürfte, absurd ist. Ich könnte ja, wenn ich wollte, mich selbst als wohlhabend bezeichnen zum Unterschied von meiner Schwester, die tatsächlich reich ist, denn ihr Reichtum, den man sieht, ist bei weitem nicht der ganze, aber ich unterscheide mich von ihr beispielsweise ganz deutlich in dem schon einmal erwähnten Punkt: sie spendet, um in den Himmel zu kommen und sich zu amüsieren, Millionenbeträge an die Kirche und andere solcher zweifelhafter Vereinigungen, während ich überhaupt nichts spende und nicht den geringsten Gedanken daran verschwende, etwas zu spenden in einer Welt, die in Milliarden erstickt und Caritas heuchelt, wo nur die geringste Möglichkeit dazu besteht. Ich habe aber auch nicht die Lust, mich durch eine Spende an die Caritas beispielsweise, wochenlang zuamüsieren oder die Gabe, mich an den Zeitungsmitteilungen über meine Großzügigkeit und Nächstenliebe zu ergötzen, weil ich weder an die Großzügigkeit, noch an die Nächstenliebe glaube. Die sogenannte gute Welt ist durch und durch eine geheuchelte und wer das Gegenteil verkündet und sogar noch behauptet, ist ein raffinierter Menschentreter oder ein unverzeihlicher Dummkopf. Wir haben es heute zu neunzig Prozent mit solchen raffinierten Menschentretern und mit zehn Prozent solcher unverzeihlicher Dummköpfe zu tun. Weder den einen, noch den andern ist zu helfen. Die Kirche, weil es mir dazupaßt, nützt beide aus, gleich welche Kirche, aber die katholische kenne ich zu gut, um ihr irgendeinen denkbaren Nachlaß zu gewähren, sie ist die raffinierteste von allen und beutet, wo sie kann, aus und das meiste Geld holt sie sich von den Armen und Ärmsten. Aber auch diesen Armen und Ärmsten kann nicht geholfen werden, die Lüge, man könne das, ist die weitverbreitetste und vor allem die Politiker führen sie im Mund. Die Armut ist unausrottbar und wer daran denkt, sie auszurotten, der hat nichts anderes vor, als daß er die Menschen an sich und also tatsächlich auch die Natur an sich ausrottet. Je größer und je höher die Spenden sind, die meine gewiegte Schwester verteilt, desto größer und infernalischer ist auch ihr Gelächter darüber, wer es jemals in Zusammenhang mit einer ihrer Spenden gehört hat, weiß, worum sich die Welt dreht. Ich habe es so oft gehört, daß ich es gar nicht mehr hören will. Die Menschen reden andauernd davon, daß sie zu den andern und, wie sie mit der ganzen Niedertracht falscher Gefühle auch noch fortwährend sagen, zum Nächsten finden sollen, wo es doch einzig und allein darum geht, zu sich selbst zu finden, jeder finde zuerst zu sich selbst und da bis jetzt kaum noch einer zu sich selbst gefunden hat, ist es auch unvorstellbar, daß irgendeiner von diesen Milliarden von Unglücklichen jemals zu einem Andern oder, wie sie triefend vor Selbstbetrug sagen, zu einem Nächsten gefunden hat. Die Welt istso reich, daß sie sich tatsächlich alles leisten kann, nur verhindern das bei vollem Bewußtsein die Politiker, die diese Welt beherrschen. Sie schreien um Hilfe, und werfen tagtäglich Milliarden allein für Waffen zum Fenster hinaus und schämen sich nicht. Nein, dieser Welt auch nur irgendeinen Groschen zu geben, weigere ich mich entschieden, denn ich bin auch nicht von dieser gefinkelten Sucht nach Dankbarkeit, wie meine Schwester. Jene Leute, die andauernd sagen, sie seien zu jedem Opfer bereit und sie opferten pausenlos alles, schließlich ihr Leben undsofort, jene Heiligen, die sich zu ihrem Opfertum und zu ihrer Opferbereitschaft wie die Schweine an den Trog drängen und welche es in allen Ländern und Erdteilen gibt, sie mögen alle möglichen und unmöglichen Namen tragen, sie mögen Albert Schweitzer heißen oder Mutter Teresa, sie sind mir zutiefst zuwider. Nichts anderes haben diese Leute im Sinn, als sich auf Kosten derer, die sie angeblich so gut
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