Betongold
Gärtner musterte ihn und bat Frau Freund einen Stuhl an. Jetzt reià dich zusammen, dachte Paul. »Ich komme gleich wieder«, entschuldigte er sich und verlieà fluchtartig den Raum. Juliane Freund und Wolf Gärtner schauten ihm verdutzt nach.
Er lief über den Flur ins gegenüberliegende WC. Was war mit ihm? Sein Herz klopfte, seine Hände zitterten. Das kann nicht sein, dachte er, drehte den Wasserhahn auf, spülte sich mehrmals Wasser ins Gesicht. Langsam beruhigte er sich. »Wenn du aufgeregt bist, musst du tief Luft holen und langsam ausatmen«, hatte seine Mutter ihm früher gesagt, wenn er ihr von seinen Ãngsten erzählte. Da war er aber 14 Jahre alt und meistens ging es dann um Schulprüfungen.
Er holte noch einmal tief Luft, trocknete sein Gesicht und schaute in den Spiegel. Mach deinen Job Kunkel, das kannst du doch. Er ging zurück, hielt einen Moment vor der Tür des Besprechungsraums inne, atmete tief ein und aus, drückte dann entschlossen die Türklinke herunter. »Es tut mir leid«, sagte er, während er die Tür schloss und den direkten Blickkontakt mit beiden vermied. »Ich musste mal kurz raus.«
Wolf beäugte ihn kritisch. »Alles O.K.?«»Ja, es geht wieder, der Magen, hab gestern wohl etwas Falsches gegessen.«
»Gut, dann können wir ja jetzt das Gespräch beginnen. Frau Freund hat uns die Unterlagen zum Fall Patrick Langer mitgebracht, sie werden gerade kopiert. Paul, gib uns doch einen kurzen Ãberblick über den Stand der Ermittlungen.«
Paul fasste in kurzen Sätzen die Erkenntnisse vom Tatort und die bisherigen Ermittlungen zusammen. Nach einigen Minuten hatte er seine Sicherheit wieder gewonnen und schaute Juliane das erste Mal direkt an. Sie hörte interessiert zu und lächelte.
Gärtner befand die Ausführungen von Paul zunächst als ausreichend und unterbrach mit einem Fingerzeig: »Frau Freund, wenn Sie so freundlich wären und uns nun Ihre Einschätzung zu dem Fall geben könnten?«
Gerade, als sie beginnen wollte, klopfte es, und Lakmann steckte seinen Kopf durch die Tür. »Was ist denn jetzt schon wieder?«, raunzte Gärtner ihn an, der sichtlich genervt war durch die Unterbrechung.
»Sie wollten doch die Unterlagen kopiert haben«, entschuldigte sich Lakmann, während er Gärtner die Kopien überreichte und wieder verschwand.
Gärtner setzte wieder an »Also nun zu Patrick Langer. Was könnte er mit dem Fall zu tun haben? Vielleicht ein Verwandter?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Juliane, »Wir haben damals in alle Richtungen ermittelt. Auch ein Sexualverbrechen wäre möglich gewesen, bis gestern. Der Name Weishaupt ist bei den Ermittlungen nie aufgetaucht.«
Gemeinsam gingen sie die Ermittlungsakten durch, die Juliane mitgebracht hatte.
»Wir müssen wissen, wie Patrick heute aussehen könnte«, sagte Paul.
Juliane antwortete schnell: »Wir haben beim LKA ein neues Computerprogramm, das könnte ich übernehmen.«
»Sehr gut«, antwortete Gärtner, »Sie übernehmen das; dann müssen wir nur noch die Aussagen bei der Pressekonferenz festlegen, bevor wir an die Arbeit gehen. Ich denke, wir sollten noch nichts Konkretes über Patrick Langer berichten. Ich bereite da etwas vor.«
»Leben eigentlich noch Angehörige von Patrick?«, fiel es Paul ein und schaute Juliane an.
»Seine Mutter ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Patrick vier Jahre alt war«, antwortete sie, »und sein Vater ist vor 10 Jahren an einem Gehirntumor gestorben. Geschwister hat er keine. Es gab noch einen Bruder seines Vaters in Hamburg. Der müsste jetzt um die 70 Jahre alt sein.«
Es war halb eins, als Juliane das Polizeipräsidium verlieÃ. Sie fühlte sich stark und befreit. Das Gespräch mit Wolf Gärtner und Paul Kunkel war vorüber und sie war nicht vor Aufregung rot geworden. Vielleicht lag es daran, dass sie so überrascht war, als sie die Unsicherheit von Paul Kunkel bei der BegrüÃung gespürt hatte, vielleicht aber auch, weil das Gespräch ganz anders verlaufen war, als die gedacht hatte. Sie hatte sich als Teil eines Teams gefühlt, erinnert an ihre früheren Zeiten als Chefin der Personenfahndung beim LKA.
Gärtner hatte ihr beim Hinausgehen zugesagt mit ihrem Chef zu sprechen und sie als Unterstützung anzufordern, bis sie Klarheit über
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