Betongold
Stunde genug«, antwortete sie und lachte.
Das Café Einstein war eine Institution; Wiener Kaffeehauscharme in einer Berliner Altbauvilla, Spezialitäten wie Wiener Schnitzel mit Erdäpfeln und Gurkensalat, dazu einen kalten, grünen Veltliner, das war auch ein Stück Himmel auf Erden. Juliane bestellte sich eine kleine Portion. Paul hatte ordentlich Hunger und nahm das Riesenschnitzel.
Den Apfelstrudel schafften sie nicht mehr, dafür genossen sie einen wunderbaren Milchkaffee. Pauls Handy vibrierte.
»Ich hatte gerade einen Anruf von meinem Berliner Kollegen.« Wolfs Stimme klang nicht sehr entspannt.
»Und, was wollte er?« Paul spürte Ãrger aufkommen.
»Man hat in Berlin den Eindruck, ihr würdet Euch in die Ermittlungen zum Fall Hainburg einschalten und das sehen sie überhaupt nicht gerne.«
»Aber du weiÃt so gut wie wir, dass dort ein Zusammenhang ist. Einen Moment ich gehe mal raus.« Paul gab Juliane ein Zeichen und ging nach drauÃen. Auf der StraÃe wurde er lauter. »Die Berliner Kollegen sind nicht sehr kollegial und ich sehe nicht ein, deswegen unsere Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Tod von Weishaupt einzustellen.«
»Das sollst du ja auch gar nicht. Aber der Mord an Hainburg ist nicht unser Fall. Hast du das verstanden?«
»Die hängen zusammen, das ist Fakt und wir können den einen Fall ohne Beachtung des anderen Falls nicht aufklären. Wir können ja morgen darüber diskutieren, wenn wir wieder zurück sind.« Paul beendete das Gespräch ohne Gruà und ging wieder ins Kaffeehaus.
»Was war denn los? Gibtâs Ãrger?« Juliane schaute ihn erwartungsvoll an.
»Mauser hat uns angeschwärzt und Wolf will uns einen Maulkorb anlegen.«
»Und? Lassen wir uns das gefallen?«
»Natürlich nicht, aber unseren Besuch bei der Familie von Hainburg können wir uns abschminken.«
»Apropos abschminken, meine Mädels wollen, dass ich ihnen etwas Cooles aus der Hauptstadt mitbringe. Meinst du, ich kann mich für eine Stunde ins KaDeWe absetzen?«
»Na klar, das KaDeWe ist auf dem Weg zum Hotel. Ich kann ja schon mal einchecken und wir treffen uns dann dort am Empfang. Deinen Trolley kann ich ja schon mitnehmen. Wie alt sind denn deine Mädels?«
»15, 19 und 20.«
»Vier Mädels im Haus, dann ist ein Mann aber ganz schön in der Unterzahl.«
»Es gibt keinen Mann«, sagte Juliane knapp und nach einer kurzen Pause, »Jedenfalls nicht mehr. Ich muss mal eben wohin.«
Auweia, das war ja ein Fettnapf mit Ansage, dachte Paul, während er den Kellner um die Rechnung bat. Wortlos verlieÃen sie wenig später das Kaffeehaus und Juliane verabschiedete sich mit einem kurzen »Bis nachher«, als das Taxi sie am Kaufhaus des Westens absetzte. Paul schaute ihr nach, doch sie ging hinein, ohne sich umzudrehen.
Als sie sicher war, dass er sie nicht mehr sehen konnte, kamen ihr die Tränen. In der Anonymität der Masse lieà sie ihren Gefühlen freien Lauf. Sie war doch darüber hinweg, hatte sie gedacht. Warum hatte dieser Satz von Paul sie so aus der Fassung gebracht. Oder war es ihre eigene Antwort? »Es gibt keinen Mann.« Sie trocknete die Tränen und lief ziellos durch den Kosmetiktempel.
»Und ich will auch keinen mehr«, hörte sie sich sagen. »Jedenfalls nicht so einen.«
Die Verkäuferin an der Auslage für Lippenstifte schaute sie ungläubig an. »Wir haben auch andere. Was suchen Sie denn genau?«
»Wenn ich das wüsste«, antwortete sie und musste innerlich lachen. »Was haben Sie denn im Angebot?«
»Soll er für Sie sein? Dann würde ich diesen empfehlen.« Die Verkäuferin hielt Ihr einen bernsteinfarbenen Lippenstift entgegen. »Das ist der neueste Trend.«
»Nehm ich, wenn er der neueste Trend ist. Hauptsache er ist echt.« Ihr Handy klingelte. Das war Kathrin, ihre Ãlteste. »Ich bin gerade im KaDeWe, welchen Lippenstift willst du, Bernsteinfarben ist gerade in.«
»Gar keinen, Mama, es ist etwas Schlimmes passiert.«
Paul hatte Zimmer im Hotel Berlin reserviert und für beide eingecheckt. Julianes Trolley hatte er auf ihr Zimmer bringen lassen und stand gerade unter der Dusche, als sein Handy klingelte. Juliane erzählte ihm in knappen Sätzen, dass ihre mittlere Tochter Pia einen Autounfall gehabt hatte und im Krankenhaus lag. Sie müsse sofort
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