Betongold
Fahrer.
»Kurfürsten, Ecke Lietzenburjer«, trällerte Paul zurück, um ihm klar zu machen, dass seine Passagiere keine Westtouris waren, denen er die Berliner Geschichte von der Entstehung bis zum Mauerfall erzählen konnte.
»Is jebongt«, waren seine letzten Worte während der Fahrt.
Die wenigen Meter zur Firmenzentrale der KFI in der Lietzenburger StraÃe gingen sie zu FuÃ. Hinter einem grünen, schmiedeeisernen Zaun mit goldenen Rundkappen, die wie kleine Helme auf die Metallstäbe gesteckt waren, erhob sich eine mondäne Villa aus der Gründerzeit. Bis ins kleinste Detail liebevoll restauriert, fühlte man sich nach Berlin in die Zeit der Bierdroschken zurückversetzt, wenn nicht die an allen Ecken des Gebäudes angebrachten Kameras die Idylle gestört hätten. Auf dem Firmenschild waren die verschiedenen Beteiligungsgesellschaften untereinander aufgereiht. KFI â Holding, CPI â Projektmanagementgesellschaft, KFH âVerwaltungsgesellschaft ⦠Eine Kamera am Klingelschild verhinderte ungebetene Besucher. Paul klingelte und nach wenigen Sekunden summte der Toröffner.
Eine junge Empfangsschönheit erwartete sie bereits, parkte ihre Mäntel und Koffer in der Garderobe und bat sie im Foyer auf den bunt drapierten Ledersesseln Platz zu nehmen. »Kaffee, Wasser?«
»Beides«, antwortete Paul und sagte das erste Mal seit der Taxifahrt wieder etwas.
»Für mich auch«, sagte Juliane und schaute ihn verschmitzt an. Friedenspfeife?
Die Empfangsschönheit kehrte mit beidem zurück. »Herr Dr. Roggisch empfängt Sie sofort, er ist noch in einem Meeting.«
Sie wurden platziert, die Empfangshalle machte ihrem Namen alle Ehre. Der gesamte Innenraum mochte an die hundert Quadratmeter haben, die haushohen Wände waren in dunkel getäfeltem Holz verkleidet. An einigen Stellen hingen überdimensionale Bilder zeitgenössischer Künstler. Eine zwei Meter breite gewendelte Treppe führte in die oberen Geschosse der Machtzentrale. Wer hier saà und auf jemand wartete, sollte genügend Zeit haben, sich seiner kleinen Rolle in diesem Geschäft bewusst zu werden.
Paul überlegte sich, ob sie jetzt eine halbe Stunde warten würden. Doch bereits nach einer viertel Stunde und dem zweiten Wasser öffnete sich eine Tür im Obergeschoà und eine Dame in einem weiÃen Gewand schwebte die Treppe hinunter. Sie mochte in ihrem Alter sein, dachte Juliane, vielleicht etwas älter, jedoch mindestens einen Kopf gröÃer. Der liebe Gott hatte sie in jeder Hinsicht mit viel Ãppigkeit bedacht, der wallende weiÃe Umhang kaschierte geschickt die Rundungen. So muss die Vorzimmerdame an der Himmelspforte aussehen, dachte Juliane.
»Lilienthal«, stellte sie sich vor, »Ich bin die Sekretärin von Herrn Dr. Roggisch. Er empfängt Sie jetzt.« Sie drehte sich um und sie folgten der Vorzimmerdame nach oben. Die Treppe knarrte unter jeder Stufe, die Paul nach oben schritt und er fragte sich, ob sie auch schon bei der Sekretärin geknarrt hatten, oder ob es einen bestimmten Weg gab, den sie genommen hatte. Oben angekommen führte sie die beiden den langen Gang bis zum Ende in einen Raum, der nur unwesentlich kleiner war als die Empfangshalle.
Noch bevor sie sich richtig umschauen konnten, drehte sie sich zur Seite und gab den Blick frei auf Dr. Roggisch, der sich in James-Bond-Manier um den riesigen schwarzen Schreibtisch schwang, als wäre es ein Kindertisch und ihnen die Hand entgegenstreckte. »Roggisch«, sagte er mit einem gewinnenden Lächeln und nahm die Hand von Juliane. »Dr. Roggisch, aber den Doktor können wir weglassen. Frau Freund nehme ich an und Sie sind Herr Kunkel, richtig?« und streckte Kunkel die Hand entgegen.
Nicht schon wieder, dachte Paul und antwortete »Kriminalhauptkommissarin Freund vom LKA Wiesbaden und Kriminalhauptkommissar Kunkel aus Frankfurt.«
»Natürlich, bitte entschuldigen Sie, nehmen Sie Platz, Kaffee, Wasser, Tee?« James Bond hatte schon wieder hinter seinem Kommandostand Platz genommen und blickte mit seinen blauen Augen in Richtung seiner Sekretärin, die bereit war, eine eventuelle Bestellung aufzunehmen.
»Oh, hier gibtâs sogar Tee; nein danke, wir hatten schon genug, während unserer Wartezeit«, hörte Paul seine Kollegin süffisant sagen, während sie auf den schwarzen Besuchersesseln Platz nahmen. Er
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