Betreutes Trinken
dauernd jemand die Füße küsst …«
Da denkt man, es herrsche endlich Frieden zwischen den beiden, und nun muss ich feststellen, die Ladies können nur miteinander, wenn sie irgendetwas niederreißen können. Fehlt ihnen eine Mauer, gehen sie sich wieder gegenseitig an.
»Hey, jetzt hör aber mal auf«, weise ich meine Chefin zurecht. »Katja hat hier ganz schön geschuftet. Und dass sie mal in ihre Wohnung will, statt sich jede Nacht neben das Terrarium zu legen, ist ja wohl auch legitim. Aber mit Andi – das wird nichts mehr, denke ich.«
»Na, sag das nicht, Doki. Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Guck dich um. Du bist wieder mit deinem Gunnar zusammen. Linda und Toddy haben sich natürlich wieder versöhnt.«
»Und Felix wieder mit Kichermonster«, ergänze ich.
Marie greift zum Kochwein und stöhnt: »Oh ja, richtig. Wir sind ein solcher Spießerclub.«
Da kann ich sie beruhigen, indem ich ihr von dem Freitagspaar auf der Toilette berichte. Ekelhaft, findet auch Marie und erzählt, dass sie mal eindeutige Spuren eines Rendezvous im Hinterhof entdeckt hat. Und auf dem Kicker! Autsch.
Jetzt ist der Wein leer, Maries Zunge löst sich: »Ich bin ein anständiges Mädchen. Wir sind immer ins Backstage gegangen …«
Mariechen, Mariechen, ich muss schon sagen: »Warum seid ihr nicht in die Wohnung gegangen, zu Raffi?«
Musste ich das sagen? Marie grinst breit: »Ach komm, du warst doch auch schon da oben. Vor zwei Jahren, mit dem Typen, der nach diesem Altherrenrasierwasser müffelt.«
Oh, wie peinlich. Zum Glück weiß nur Marie davon. Und Old Spice. Und die halbe Kneipe, wenn ich Maries Lachen richtig deute. Hier haben die Wände Ohren. Und Augen. Sogar Nasen in diesem bewussten Fall. Jeder findet hier irgendwann alles über jeden anderen heraus, ohne allzu investigativ nachzuforschen. Wenn man sich nach dem achten Drink genug Mut angetrunken hat, um dem Barkeeper ein Geheimnis anzuvertrauen, muss man schon über die Musik hinwegbrüllen. Manchmal reicht es aber auch, nach dem dritten Bier eine Pause einzulegen und die Augen offenzuhalten. Wer wirft wem einen Blick zu, und wer verschwindet plötzlich, wer kurz danach? Manchmal prahlt einer mit seiner Errungenschaft, und manchmal müssen sich die Ladies gegenseitig beweisen, dass die eine noch verkommener ist als die andere. Von Miriam wissen wir, dass Harald zwar Zauberhand ist, aber in anderen Bereichen Defizite aufweist. Vielleicht ist es dieses Übermaß an unappetitlichen Informationen und Einblicken, die Marie zu ihrer Enthaltsamkeit bewogen hat.
Vielleicht hat gar nicht Raffi ihr Herz gebrochen, sondern die Kneipe. Und deren Gäste. Wenn ich sie jetzt dazu bekäme, noch einen über den Durst zu trinken, würde ich bestimmt auch ein paar Dinge über Marie erfahren, die mich unter anderen Umständen brennend interessieren würden.
»Doki, nicht grübeln, trinken«, empfiehlt sie nun und öffnet eine zweite Flasche Wein. Marie schenkt sich einen winzigen Schluck ein, mein Glas füllt sie bis zum Rand. Auch gut. Fast noch besser. Es wird richtig gemütlich in der Küche; während ich meiner Chefin die Grundkenntnisse über feste Nahrung vermittle, verteilt sie die flüssige, jede von uns bleibt auf ihrem Spezialgebiet, sicheres Terrain.
Ich veranstalte die zum Getränk passende Kochshow für sie, werfe die Hefefladen in die Luft, lasse sie auf dem Finger kreiseln und wirble sie herum, bis sie hauchdünn sind.
»Ich wünschte, meine Mutter hätte mir so etwas beigebracht«, flüstert Marie ehrfürchtig. Das wünschte ich mir auch.
Der Ofen kündigt piepsend die erreichte Betriebstemperatur an, an der Hintertür klingelt die Band. So langsam spielt sich alles ein, endlich läuft mal etwas rund an diesem Tag.
Marie zeigt der Band das Backstage, ich zupfe Salat. Das Essen steht um Punkt acht auf der Theke. Haben wir irgendetwas vergessen?
»Wann sollen wir denn Soundcheck machen?«, erkundigt sich einer der Musikanten kauend.
Tja, wann? Und wie? Meine Liebe zur Musik ist nicht nur einseitiger, sondern auch rein romantischer Natur. Der technische Teil hat mich nie interessiert.
Marie ist am Mischpult ebenso versiert wie am Herd. Den Soundcheck macht immer Raffi. Oder Vladimir.
»Ich erreich’ den Russen nicht«, flüstert mir Marie zu, leicht panisch. Die Band ist mit einem Keyboard angereist. Wird schwierig werden, sie von einem Unplugged-Set zu überzeugen.
Also muss ich jetzt irgendetwas tun. Schnell.
Ich zücke mein
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