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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Handy: »Gunnar, hi, kannst du die Band abmischen?«
    »Klar, kann ich machen. Ich komm gleich rüber.« Klang er zögernd oder hat mich der Wein langsam im Kopf gemacht? Ich hake nach: »Ist noch was?«
    Es ist noch was, natürlich.
    »Doris, ich habe die blöde Katze nicht gefunden. Kann das sein, dass die durchs Fenster abgehauen ist?«
    Tief durchatmen. Vor acht Stunden habe ich dem Mann gesagt, er soll die Katze füttern. Jetzt fällt ihm auf, dass sie nicht da war? Warum ruft er mich nicht sofort an?
    »… ich hab versucht, dich anzurufen, aber dein Handy war aus. Da dacht ich, ist ja bestimmt nicht so wild mit dem Katzenviech, die kommen ja immer wieder zurück nach Hause, oder?«
    Das tolle an Wein ist, dass er im Gegensatz zu Bier ganz ruhig macht. Nicht nur während des Trinkens, seine Wirkung hält auch danach noch eine Weile an. Ich möchte schreien, kann aber nicht. Ich will Gunnar anbrüllen: »Nein, du Vollidiot, das ist eine reine Wohnungskatze, die kommt nicht immer wieder zurück so wie … du! Das ist eine völlig überzüchtete, schrecklich teure Rassemieze, und du hattest die Verantwortung, weil ich sie übertragen hatte, und das ist nicht der Moment, um cool zu sein, und außerdem geht es mir sowieso schon völlig beschissen, weil …«
    »Hallo? Soll ich jetzt rüberkommen, oder was?«, fragt Gunnar, von dem ich noch eben ein Dutzendmal geschworen habe, dass ich ihn liebe.
    »Ja,« krächze ich also, und kann sogar noch eine halbwegs vernünftige Idee hinzufügen: »dann geh ich jetzt nach Hause, um die Katze zu suchen.«
    Gunnar seufzt: »Okay, vielleicht treffen wir uns ja auf halbem Weg.«
    Tun wir nicht.
    Offenbar kennt Gunnar eine Abkürzung, die ich in all den Jahren nicht entdeckt habe.

XXXIII
    S chiwago! Schiwago! Ja, wo ist denn das Kätzchen? Miez, miez, miez!«
    Natürlich weiß ich, dass es ebenso sinnlos wie erniedrigend ist, eine Katze zu fragen, wo sie sich versteckt hat. Selbst wenn die Viecher sprechen könnten, sie würden nicht antworten. Sie halten sich ganz klar an die Spielregeln, und laut denen bin ich dran mit Suchen. Und auf dem einzigen Baum auf meiner Straße befindet sie sich schon mal nicht.
    Schiwago ist verfressen, fällt mir jetzt ein. Ich sollte wieder in die Wohnung meiner Nachbarin gehen, um die Schachtel mit Trockenfutter zu holen. Diesem Rappeln können sie nicht widerstehen, von wegen stolze, unabhängige Wesen. Katzen sind würdelose Aasgeier. Außerdem sollte ich den Baseballhandschuh gleich mit einstecken, falls der Kater mir im Treppenhaus auflauert.
    Oben in der Wohnung ist es stickig. Vielleicht hätte ich das Fenster öffnen sollen, als ich den Trockenmarathon gestartet habe.
    Moment.
    Wenn das Fenster geschlossen war, wie ist dann Schiwago entwischt? Ich rassle mit dem Futter. Ersticktes Maunzen ertönt.
    Das arme Ding. Saß den ganzen Tag im Wäschetrockner. Ich habe ihn dort eingeschlossen. Er sieht furchtbar aus, sein Fell ist ganz verklumpt. Als ich nach ihn greife, schlägt er um sich und faucht. Er erwischt mich ein paarmal, aber ich ihn schließlich auch. Bin ja auch größer, stärker und viel älter als er.
    Ich halte ihn im Arm, er windet sich erst, aber irgendwann gibt er Ruhe, oder er ist einfach erschöpft. Nicht mal fressen will er. Hoffentlich stirbt er nicht. Ich lege das zerzauste Bündel aufs Sofa. Im selben Moment zischt er davon, ab ins Schlafzimmer. Wenn er könnte, würde er auch noch die Tür hinter sich zuschlagen. Was hatte ich erwartet? Dass das kleine Biest jetzt auf der Couch hocken bleibt und nach einer zerknirschten Entschuldigung meinerseits anfängt, über seine verletzten Gefühle zu reden? »Es ist okay, dass du mich jetzt hasst«, rufe ich in Richtung Schlafzimmer. Keine Reaktion, wie erstaunlich. Ich suche im Kühlschrank meiner Nachbarin nach einem Bier, um diesen fiesen Weinrausch endgültig loszuwerden. Ich finde nur eine exotisch anmutende Flasche auf der Anrichte, wahrscheinlich ein Andenken an eine ihrer vielen, ausgedehnten Reisen. Ich öffne die Flasche und setze mich auf die Couch. Warum schafft sich jemand eine Katze an und gondelt dann ständig in der Weltgeschichte herum? Gibt es meiner Nachbarin ein Gefühl der Überlegenheit, dass sie mir ihr Haustier aufhalsen kann, wann immer sie will?
    Das Bier schmeckt widerwärtig. Es passt vom Geschmack zu der blöden weißen Couch, dem angeberischen Kaffee-Vollautomaten und den bescheuerten Pflanzenfotos an der Wand. Ein gerahmtes Bild von einem Grashalm in

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