Betreutes Trinken
Nahaufnahme, das wahrscheinlich einen ganzen Monatslohn von mir gekostet hat. Die Frau gehört doch unter ärztliche Aufsicht, oder? Aber hey, da liegt ja ein echtes Telefonbuch auf dem Couchtisch. Wie herrlich old-school. Das Bier taugt wirklich gar nicht. Sonst hätte ich jetzt bei Schwenke-Großmanns angerufen, um ein paar Takte mit ihnen zu reden. Ich muss mich beruhigen, dringend. Vielleicht sollte ich jetzt doch mal Gunnar erzählen, was los ist. Immerhin ist er mein Freund, und er wird mir beistehen, ganz gleich, was ich getan oder gelassen habe.
Als ob er meine Gedanken aufgefangen hätte, schickt er mir jetzt eine SMS :
» Konzert ist supi. Bleibe noch was. Katze gefunden?«
Supi. Supi ist quasi quasi. Bleib’ doch noch was, klar. Bleib eine Weile.
Ich schließe das Fenster wieder, damit Schiwago nicht doch noch abhaut. Würde der sowieso nicht, der traut sich gar nicht raus aus seinem kuscheligen Luxusheim.
Ich schon. Ich traue mich sogar, das Fahrrad der Nachbarin zu nehmen, obwohl ich gerade fast ihren Liebling getötet hätte. Und mir ihr Bier nicht geschmeckt hat, ätsch! Ich nehme mir jetzt, was mir zusteht. Zum Beispiel noch ein Bierchen vom Kiosk für den Weg, und dann werden Nägel mit Köpfen gemacht.
Ich muss Gunnar jetzt wirklich was erzählen, nämlich, dass ich die Situation gerade gar nicht so supi finde. Er muss bei mir ausziehen, und das nicht nur quasi, sondern möglichst schnell. Sonst kriege ich mein Leben gar nicht mehr auf die Reihe.
Dieses Fahrrad musst du abschließen, Doris. Es gehört nicht dir oder deinem Exfreund. Es darf nicht geklaut werden. Steh. Still. Oder leg dich halt hin, du blöde Mühle, ist mir doch egal.
Es ist viel zu heiß im »Dead Horst«, irgendein Vollidiot hat vergessen, die Klimaanlage nach dem Konzert wieder aufzudrehen. Aber außer mir scheint das niemanden zu stören. Alle sitzen an der Theke und schwätzen Unsinn. Alle. Linda und Toddy turteln in der DJ -Ecke. Sogar Olaf scharwenzelt herum. Und Holger, der schon wieder Marie anschmachtet, aber die ist ja mit jemand ganz anderem beschäftigt. Sie schäkert mit Gunnar. Flüstert ihm irgendetwas ins Ohr, und er antwortet mit diesem freudig erstaunten Gesichtsausdruck, den ich so gut kenne, lächelt, mit seinem falschen Zahn. Und Marie wirft den Kopf in den Nacken und lacht.
Wie reizend. Wie überaus reizend. Jetzt nicht ausrasten, Doris, einfach hingehen und mitlachen: »Na, amüsierst du dich gut?«
Okay, das klang jetzt etwas säuerlich. Und ganz so fest hätte ich Gunnar auch nicht auf den Rücken schlagen sollen dabei.
Aber er beschwert sich gar nicht, sondern tut so, als würde er sich freuen mich zu sehen: »Hey, alles klar? Hast du meine SMS nicht bekommen?«
»Doch habe ich, aber da stand ja nur › Bleibe noch was ‹, nicht › Bleib du weg, damit ich mich an deine Freundinnen ranmachen kann‹. «
Ich bin gut in Form. Ich könnte jetzt sogar mit George Clooney Schluss machen. Und ihn mindestens halb so dämlich aussehen lassen wie Gunnar jetzt:
»Doris, was ist mit dir los? Haste deine Katze immer noch nicht gefunden, oder was?« Diese verdammten Architekten: Müssen nie eigenhändig die unterste Schublade aufreißen, sondern nur ihre Skizzen vorzeigen, und dann übernehmen ein paar besoffene Handlanger die Drecksarbeit:
»Haha, Doki, wenn ich dir helfen soll, deine Muschi zu finden musst das sagen, tehehe«.
Mein Gott, Albert, ich glaube, du bist jetzt bereit für deine erste eigene Comedyshow. Die Marktforschungs-Testgruppe an der Theke reagiert jedenfalls so, als wäre großflächig Lachgas gesprüht worden. War aber nur Natternblut, wie ich an der Batterie Flaschen hinter der Theke erkennen kann. Gunnar will mir seinen Arm über die Schulter legen, aber er verfehlt mich. Auch besoffen – bringt gar nichts, ihm jetzt eine Szene zu machen. Er wird sich gar nicht mehr daran erinnern können, wenn er wieder nüchtern ist.
»Doki, auch noch eins?«, will Marie wissen, und obwohl ich den Kopf schüttle, macht sie Anstalten, ein Pinnchen zu füllen. Sie schafft es nicht, weil ich mich zu etwas hinreißen lassen, was ich verabscheue. Ich mache die andere Frau dafür verantwortlich, wenn mein Kerl ihr schöne Augen macht: »Marie, du kannst ihn gerne umsonst haben, musst mich nicht noch mit Schnaps abfüllen.«
Das hat gesessen. Marie versteckt die Zahnlücke, kommt auf mich zu und zischt mir ins Ohr: »Denkst du allen Ernstes, ich wollte was von deinem Macker, oder was?«
Ich setze
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