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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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hätte mir wirklich eine AK 47 überlassen für eine Weile.
    »Ach, das ist deine Gitarre«, kombiniert Gunnar, »das erklärt einiges.«
    Vladimir ignoriert ihn völlig. Stattdessen gibt er mir das Gesicht: »Du hast reingeschaut, ja?«
    Ich korrigiere. Es ist nicht das Gesicht, es ein neues, noch viel schrecklicheres, voller Enttäuschung und Augenbrauen und Falten, die vor einem Nasenbeben flüchten wollen, in Richtung Ohren. Es ist erbärmlich und macht mich wütend. Warum gibt er mir auch diese dämliche Gitarre? Weil er keinen anderen Idioten findet, der das für ihn tun würde. Weil ich immer für jeden Mist zu haben bin, der ganze Dreck, er bleibt an mir hängen, ich darf nicht an die Theke, aber den Laden putzen, das schon! Wahrscheinlich ist die Gitarre geklaut oder vom Laster gefallen, ich habe mich strafbar gemacht. Vladimir und seine Gaunereien, seine Lügen, ohne die alles nicht passiert wäre. Ohne diese blöde Gitarre hätte ich mich heute gar nicht mit Gunnar gestritten, ich hätte mich auf meinen Job konzentrieren können, und überhaupt …
    »Vladimir, wegen dir ist mein Leben nur noch ein einziger Haufen Scheiße.«
    Das Gesicht verändert sich wieder. Es wird ganz bleich und der Mund zuckt ganz wild, bevor er sagt: »Doris, du bist betrunken. So rettet man nicht ›Dead Horst‹. Du nicht.«
    Da hat er mal wieder recht. Und darf deswegen bleiben. Ich muss gehen.
    Das war’s. Ich kann immer nur alles kaputt machen, ohne nachzudenken. Ich bin zu gar nichts zu gebrauchen, das Fahrradschloss treffe ich auch nur mit Mühe. Leichen pflastern meinen Weg. Warum verschmilzt jetzt der Bürgersteig mit der Straße? Weil er mich auch hasst. Selbstmitleid, das ist jetzt gar nicht angebracht, du musst irgendetwas tun, nein besser nicht, das geht sowieso wieder in die Hose. Haha. War gestern schon nicht witzig. Doofe Linda. Alle doof. Passt ja, die finden mich auch doof. Außer, wenn sie was von mir wollen. Putzen, Kochen, mich zum Affen machen, auf ihre Scheißgitarren aufpassen, das kann ich, aber wenn ich einmal einen Fehler mache, dann … Dann mache ich einen echt schweren Fehler. Genau an der falschen Stelle, im falschen Augenblick, scheiße, warum hat Ludi mich angerufen, statt mich zu treffen, warum habe ich ihn nicht zurückgerufen? Und warum steht das Arschloch denn da vor der Ampel rum bei Grün? Na, der wird sich schon bewegen, der riskiert ja nicht, dass ich auf ihn auffahre, bei dem Speed, den ich draufhabe. Tut er doch.

XXXIV
    D as hier ist nicht das »Hyatt«.
    Hätte ich auch bemerkt, wenn mich meine Bettnachnachbarin nicht geweckt hätte, um zu fragen: »Darf ich Ihren Nachtisch haben? Sie haben ja noch den Tropf drin.«
    Gutes Argument, war aber gar nicht nötig: »Nehmen Sie das ganze Essen, aber schreien Sie nicht so, bitte.«
    »Ich schrei doch gar nicht«, kreischt sie, aber dann erkenne ich so was wie Mitleid in ihren wässrigen Augen. Vielleicht auch nur Appetit, denn sie greift mein Tablett und wuchtet es auf ihren Nachttisch. Stürzt sich auf den Pudding, schlabbert dabei, aber ich kann meinen Blick nicht von ihr abwenden. Oder will es nicht. Die Alternative besteht darin, mich selbst anzuschauen, und das wäre bestimmt noch ekliger. Der Verband am Arm ist nicht so schlimm. Die Kopfschmerzen schon. Nicht den Kopf anfassen, nicht den Kopf anfassen. Da ist ein Pflaster. Wo Haare sein sollten.
    »Nein, warten Sie, da ist so eine Schale neben Ihnen. Ach Mädchen, dabei kann doch keiner essen. Ich hole mal die Schwester.« Danke.
    Es kommt keine Schwester, sondern eine Ärztin. Sie stellt sich zumindest als Doktor Wilms vor, und weil sie keine Anstalten macht, die Brechschale von meinen Knien zu entfernen, glaube ich ihr das.
    »Na, da haben Sie aber noch mal Glück gehabt, Frau Kindermann, was?«
    Eine ganz moderne Medizinfrau. Sagt nicht: »Da haben wir aber Glück gehabt.«
    Ich kann mein Glück gar nicht fassen. Meine Haare sind weg.
    »Ja, das ist der Schock, aber jetzt reißen Sie sich mal zusammen. Bitte.«
    Sie tastet nach irgendeinem medizinischen Instrument in ihrer Kitteltasche. Nein. Ein Lippgloss. Sie benutzt ihn. Gegenschock-Therapie. Funktioniert, ich werde ruhiger.
    »Ist das Fahrrad noch ganz?«
    Doktor Wilms ist von meinen Fortschritten begeistert. »Super, Sie können sich daran erinnern, dass Sie einen Fahrradunfall hatten, gut. Die Platzwunde hab ich selbst genäht, das wird eine sehr schöne Narbe. Und wenn nicht – Haare wachsen, der Ellenbogen ist wahrscheinlich

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