Betreutes Trinken
nicht hier, um sich zu rechtfertigen.
»Was heißt ›durchwühlt‹, es lag da alles offen herum, und ich habe erst einen genaueren Blick darauf geworfen, als der Brief für Raffi kam. Von der Bank.«
Katja Alpert öffnet fremde Post.
»Der Brief war von Andis Bank.« Ach, na dann ist ja gut.
»Bist du bescheuert, Katja?«
Falls sie es ist, kann sie es gut verstecken: »Doki, das war gut, dass ich da reingeguckt habe. Sonst hätte ich nie erfahren, dass die Vermieterin vom ›Dead Horst‹ gestorben ist. Vor Wochen schon. Das Haus gehört jetzt der Bank, und die will es verkaufen. Und bestimmt nicht an irgendwelche Vollchaoten wie Raffi. Deswegen war ich ja gestern bei Andi, um mal nachzufragen, wie man das finanzieren könnte. Also, wie wir das finanzieren könnten.«
Zuviel Information – selbst wenn ich keine leichte Gehirnerschütterung hätte, wäre ich kaum in der Lage, das alles am Stück zu verarbeiten. Ich muss mich selbst mit der Salamitaktik überlisten und nehme mir das schönste Endstück vor: »Raffi und Marie wieder zusammen, ja? Wie romantisch. Und spießig. Aber auch romantisch.« Portugal. War ich ja ganz nah dran mit meiner Spanienlüge für die Gäste.
Katja wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht herum: »Ja, toll, ganz super für die Zwei, aber darum geht es nicht. Wir müssen versuchen, das Haus zu kaufen.«
Müssen wir nicht. Und können wir auch gar nicht. Ich ignoriere das saftige Mittelstück und weise Katja auf das bittere Ende hin: »Ich habe kein Geld. Und du hast auch nicht genug.«
Katja streicht ihre perfekt sitzende Frisur zurecht. »Nicht so viel. Aber etwas. Und Gunnar meinte, die Gitarre ist viel wert, wenn sie doch ein Original ist. Sehr viel. Er will das mal checken, was ein Sammler dafür zahlen würde.«
Die Gitarre verkaufen. Vladimirs Gitarre. Wenn sie ihm überhaupt gehört, was ich nicht glaube. Etwas Geklautes verkaufen, um das Beste zu retten. Unser »Dead Horst«. Sobald wir alles in trockenen Tüchern haben, können Raffi und Marie zurückkommen, und alles wird wie früher. Wie vor zwei Wochen. Eine Frage hätte ich aber doch noch: »Also hatte Raffi gar keinen Burnout?«
Katja schüttelt den Kopf: »Na, so was Ähnliches. Der ist letztendlich zusammengebrochen, weil er erfahren hat, dass Marie eine Affäre mit irgendeinem Typen hatte. Soviel zur Romantik. Würde ja gerne mal wissen, wer das Eismariechen betört hat.«
Ich weiß es. Wahrscheinlich liegt es an meiner Kopfverletzung, aber ich weiß es.
Und will es Katja sagen, aber die will etwas ganz anderes wissen.
»So, jetzt spuck’s aus, Frau Kindermann: Welche Leichen hast du im Keller und warum versteckst du sie seit zehn Jahren vor mir?«
Darum.
»Also, Raffis Vater lebt in Portugal, ja? Wusste ich gar nicht. Verrückt.«
Katja meint, dass es noch verrücktere Dinge gibt: »Doki, wenn du mir jetzt nicht erzählst, warum du dich so aufführst und weswegen Gunnar sich solche Sorgen macht um dich, dann … dann sind wir keine Freunde mehr. Echt nicht.«
Sie meint das ernst. Und ich kann sie verstehen. Ich wäre auch sauer auf mich. Und würde versuchen, mich zu erpressen, wenn ich sie wäre. Und wenn ich es könnte. Kann ich ja, fällt mir auf: »Katja, wenn wir keine Freundinnen mehr sind, wie willst du dann das Haus kaufen? Ohne meine Gitarre?« Es ist meine Gitarre, wenn Vladimir verschwunden ist, ganz klar.
Katja überlegt nicht lang: »Ich könnte immer noch Andi heiraten. Dann hätte ich den Batzen, und bestimmt auch das Vorkaufsrecht. Bäh!«
»Das würdest du tun, oder? Verdammtes Miststück.«
»Selber.«
Glück gehabt. Noch sind wir also beste Freundinnen. Und so soll es bleiben. Ich will ihr auch alles erzählen, aber zuerst muss ich etwas klären. Etwas Wichtiges, bevor es zu spät ist.
»Fährst du mich nach Hause? Und dann zum Bahnhof?«
Meine beste Freundin und zukünftige Geschäftspartnerin ist auch immer noch meine Chauffeuse. Sie wartet sogar im Wagen, während ich versuche Schiwago einzufangen, und ihn in seine Transportbox zu verfrachten. Aber er wehrt sich, mehr als sonst. Verständlich, bei einem Trocknertrauma. Schließlich fülle ich seinen Napf mit Futter. Dann einen weiteren Napf, dann noch drei Müslischalen. Irgendwer hat mal behauptet, dass Katzen im Gegensatz zu Hunden wüssten, wann sie genug gefressen hätten. Das mag einer der Gründe sein, weshalb wir nicht miteinander klarkommen. Ich packe noch ein T-Shirt und eine Unterhose ein. Ich werde nicht lange
Weitere Kostenlose Bücher