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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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aus der Vorwurfschublade geholt. Sie musste nur ins Dorf, um mich abzuholen. Sonst würde sie niemals dahin gehen, klar. Alles, was meine Mutter für ihr karges Auskommen benötigt, stellt sie selber her: zieht Gemüse und Obst, backt Brot aus Wurzeln, knüpft sich Leinwände aus alten Säcken und pflanzt im Vorgarten Glühbirnen. Ihr grüner Daumen hat sogar ein Laptop hervorgebracht, wie ich nun bemerke.
    »Tja, das meiste bestelle ich online. Ulf kümmert sich um die Verkäufe, die treue Seele.«
    Ulf, den gibt’s auch noch. Über den will ich gar nicht reden. Über mich auch nicht. Ich rette mich in einen Plausch über die schönen Künste: »Hast du was Neues gemalt, Mama?«
    Jetzt verstehe ich nicht, weshalb sie lacht: »Ich male ständig was Neues. Aber ich kriege selten ein Bild fertig. Keine Inspiration. Vielleicht fälle ich mal den Baum, um was Neues zu sehen.«
    Ich will wieder weg hier. Bevor sie meinen Baum fällt.
    »Warum ziehst du nicht einfach um, Mama?«
    Gut gemacht, Doris. Jetzt dauert es noch dreißig Sekunden, bevor sie dich vor die Tür setzt. Ohne ihre Mütze. Hoffentlich fährt noch ein Bus zum Bahnhof zurück. Schon holt sie Luft, um mich mit ihrem Feuer zu versengen. Dann sagt sie ganz leise:« Kann ich nicht, Große. Ich kann das Häuschen nicht verkaufen. Es war mein Traum.«
    Ja eben, war. Jetzt ist es ein Albtraum. Es sieht hier aus wie bei mir zu Hause. Mit weißen Flecken an den Wänden, die noch viel gruseliger anmuten als die furchtbaren Bilder, die vorher dort hingen. Und das will was heißen. Neben den Kreationen meiner Mutter waren die Werke von Hieronymus Bosch naive Malerei. Andere Mädchen hatten Pferdeposter, bei uns hing »Unicorn Abortion I-X« zum Trocknen aus. Aber wozu auch ein Jugendzimmer, wenn man gar keine Jugend hatte?
    Wogegen rebellieren, wenn die Mutter einem schon jede erdenkliche Variation des Egotrips vorgeführt hat? Und einem Vater, der sich … auf seine Art ausklinkt?
    Aber wozu über die beschissene Vergangenheit reden, wenn es frische Wunden gibt, die es nachzusalzen gilt: »Wer ist denn diese Katja, Doris? Deine Freundin? Du weißt, dass ich kein Problem damit hätte, wenn du lesbisch wärst. Aber muss man sich dazu noch heutzutage so unvorteilhafte Frisuren schneiden?«
    Sie lacht schrill, ihr Zeichen dafür, dass sie einen Witz gemacht hat. Ich bekomme Halsschmerzen, mein Zeichen dafür, dass ich noch einen Grog haben will.
    »Mama, ich bin wieder mit Gunnar zusammen.«
    »Ach was? Der Gunnar? Na, ob der der Richtige für dich ist …«
    Ja, schüttle du ruhig deine rote Mähne, ich renne nicht darauf zu und lasse mich von dir aufspießen. Ich kann auch aus einer anderen Ecke der Arena antäuschen. Und enttäuschen: »Ich habe gekündigt, Mama. Also, im Moment bin ich krank geschrieben. Und dann habe ich Resturlaub. Ich will da nicht mehr arbeiten, wegen … es gefällt mir nicht mehr dort.«
    So, das sollte reichen für den Anfang.
    »Ach«, sagt meine Mutter. Nach einem weiteren Schluck Tee fragt sie nach: »Und weil es da nicht mehr so toll ist, deswegen haust du da ab, ja? Glückwunsch Doris, so wird’s gemacht.«
    Nicht provozieren lassen, einfach weiter draufballern: »Ja, ich höre mit der einen Sache auf, weil ich was Neues vorhabe. Ich arbeite jetzt in einer Kneipe. Mit Gunnar. Und Katja. Wir kaufen die Kneipe.«
    Ja, und die führe ich dann, mit all meinen anderen guten Freunden, die ich gar nicht aufzählen kann, weil meine Mutter aufspringt, weg vom Tisch, weg von mir, der Rabentochter: »Ach, deswegen bist du hier, um mir das aufs Brot zu schmieren, ja? Lass mich raten, jetzt willst du auch noch Geld von mir, damit ich mein schlechtes Gewissen abbezahlen kann, ja? Für eine Kneipe, ausgerechnet? Tickst du noch richtig?«
    »Nein, Mama, nein, ich bin hier, weil …«
    Weil ich am richtigen Ende anfangen wollte. Und das falsche erwischt habe. Es war fünfzig-zu-fünfzig-Chance, dachte ich heute Morgen.
    Meine Mama seufzt, steht auf und schüttet den Tee in den Ausguss. Guckt mich an, und ich weiß nicht, ob da wirklich eine mütterliche Regung durch ihr Gesicht huscht, oder ob sie nur überlegt, wie sie mich malen könnte. Endlich fragt sie:
    »Bleibst du ein paar Tage? Dann können wir vielleicht in den Wald gehen zusammen.«
    Eine normale Mutter hätte jetzt frischen Tee gemacht. Und alles andere auf den Tisch gebracht, was seit Jahren unser Verhältnis vergiftet.
    Meine Mutter muss erst einen Bock schießen, bevor sie mit mir reden

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