Betreutes Trinken
kann.
Und die Schonzeit für Großwild endet erst im Juni.
Eine normale Tochter würde jetzt nicht nachgeben. Oder wieder fahren. Oder ihren blöden Freund anrufen, damit er sie abholt. Ich gehe schlafen, zu den Einhörnern. Die sind unverkäuflich. In jeglicher Beziehung.
XXXVIII
W ir tasten uns langsam heran an die Jagdsaison.
Proben für das ganz große Schlachtfest und gönnen uns lange Pausen zwischen den Trainingseinheiten. Meine Mutter behauptet, ich könnte mir beim Friseur im Dorf Extensions machen lassen. Ich glaube das nicht. Und will das schon gar nicht. Der Friseurladen heißt »Hairlich Anders«, meine Mutter widerspricht sich selbst, behauptet nun, schlimmer könne es nicht werden auf meinem Kopf. Wir üben Versöhnen. Sie schenkt mir die Mütze. Und noch einen Schal, damit sie nicht auf meinen blanken Hals gucken muss. Ich trage den Schal, obwohl es Mai ist und kein Schnee liegt. Aber im Haus ist es ja schön kühl.
Mama geht malen. Ich gehe schlafen.
Am zweiten Abend wagen wir uns an größere Tiere heran. Mein Liebesleben. Mama behauptet, sie hätte nie gedacht, dass Gunnar besser zu Lovis passen würde.
Sie behauptet etwas völlig Abstruses: »Doris, du hörst einfach nie richtig zu: Ich habe damals gesagt, dass Gunnar sich ein bisschen zu oft nach Lovis umschaut. Wie jeder andere eben auch. Ist ja auch nur ein Kerl, der schöne Gunnar.«
Ich gehe wieder zu Bett daraufhin.
Mama bestellt mir eine Elektrozigarette im Internet.
Am nächsten Morgen sind wir bereit dazu, gemeinsam auf einen Hochsitz zu klettern.
Mama schießt nichts. Wir reden ein wenig. Ich erzähle ihr von Ludi. Am Ende meines Berichtes zuckt Mama mit den Schultern: »Steckt niemand drin, Doris, in dem Kopf von so einem Sechzehnjährigen.«
»Aber das ist mein Job«, winsele ich. Füge nicht »gewesen« hinzu. Soll meine Mutter mir sagen, wie der Stand der Dinge ist. Deswegen bin ich hier.
»Tja, Job verfehlt. Du bist noch jung. Mach was anderes. Aber vielleicht keine Kneipe. Jetzt sei still.«
Sie bedeckt ihre Augen mit dem Feldstecher und schaut auf die Lichtung vor uns. Da ist gar nichts zu sehen, nicht mal ein Häschen.
»Es wäre dir also lieber, wenn ich eine Surfschule auf dem Mond aufmachen würde, ja?«
Mama lässt das Fernglas sinken:« Ja, dann kämst du mich wahrscheinlich öfter besuchen als jetzt.«
Falls irgendwelches Wildgetier aufkreuzen wollte, um sich abmurksen zu lassen, haben wir es jetzt durch unser Kichern verscheucht.
Nachdem sich meine Mutter ausgelacht hat, fällt ihr auf: »Mist, ich hab’ die Kamera vergessen.«
Wir bleiben trotzdem noch eine Weile, Sonnenaufgang gucken, Jäger erschrecken.
Danach geht Mama malen, sie hat noch ein paar alte Fotos von frisch erschossenen, halb ausgeweideten Tieren vom letzten Jahr.
Ich recherchiere Dinge im Internet. Lese alle meine E-Mails, aber beantworte nur eine. Nein, ich will kein Auto gewinnen, liebe Two-be-Two-Media AG. Ich kann mir eins kaufen, wenn ich will.
Als mich meine Mutter abends zur Bushaltestelle bringt, fragt sie: »Willst du vielleicht die Einhörner haben? Kannst sie auch verkaufen, wenn du sie nicht aufhängen magst.«
»Nein.«
»Dann mach’s gut. Melde dich, wenn du zu Hause angekommen bist, ja?«
Ich verspreche es. Natürlich werde ich das vergessen, und meine Mutter wird deswegen mit mir schimpfen beim nächsten Anruf. Ganz normal, wie in jeder Familie.
Meine Mutter hat mir auch noch eines ihrer Kleider vermacht. Es stammt aus derselben Epoche wie die Mütze. Der Taxifahrer fragt, ob ich mal in einem Musikvideo mitgespielt hätte, in den Achtzigern. Als ich ihm berichte, dass ich 1981 geboren wurde, schaut er mich skeptisch an. Man altert schneller auf dem Lande.
Ich lasse mich an der Kreuzung absetzen, weil ich gar nicht weiß, wo ich hinwill. Nach Hause oder ins »Dead Horst«.
Wenn das eine echte Überwachungskamera sein sollte an der Dönerbude, spiele ich jetzt doch in einem Achtzigerjahre- Videoclip mit. Schlechtes Remake, mit mir als Cindy Lauper in Time After Time . Sogar den Gitarrenkoffer habe ich dabei, ein Requisit, das dabei hilft, gekonnt unschlüssig vor der U-Bahn-Station zu stehen.
An dieser Stelle müsste mein Freund hier auftauchen. Ich fand immer, dass der Typ im Video eine gewisse Ähnlichkeit mit Gunnar hatte. Dieselben Augen. Aber Gunnar taucht nicht auf, um mich davor zurückzuhalten, abzuhauen. Ich haue ja auch gar nicht ab, ich kehre zurück. Time after Time .
Also ins »Dead Horst«. Zu
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