Betreutes Trinken
unterhalten?«, frage ich meine beste Freundin. Sie denkt kurz darüber nach, bestimmt dann: »Okay. Kommst du mit ins Büro?«
Linda stellt mir die Cola vor die Nase, blickt unsicher zu Katja, die abwinkt. Ich kam in Frieden.
»Lass uns lieber auf die Toilette gehen, Katja.«
Sie zuckt mit den Achseln, aber bequemt sich zu mir auf die andere Seite der Theke. Sie geht voraus und ich folge ihr zu den schönen, neuen Waschräumen, die Agnes wirklich hübsch gefliest hat. Es sieht geradezu edel aus, mattschwarz, wie die Gipswand.
Soll Katja anfangen. Tut sie aber nicht. Vielleicht kann sie es nicht, weil sie sich keine Zigarette anzündet, wie sonst, wenn sie ein ernstes Wörtchen mit mir zu reden hat. Also zünde ich mir eine an, und das hilft ihr, den Anfang zu machen: »Muss das sein, Doki?«
Blöder Anfang. Da finde ich ja einen besseren: »Hausverbot, ja? Hast du jetzt die Kneipe gekauft? Allein? Ohne mich? Konntest du keine Woche warten?«
Ganz einfache Frage, ganz komplizierte Antwort, die sie mir nicht mal ins Gesicht sagen kann: »Andi hat einen Finanzierungsplan erstellt, und der sollte aufgehen, wenn wir noch ein paar Dinge umstrukturieren. Wir werden einen Anbau machen und den als Raucherraum deklarieren. Wenn wir uns noch auf bessere Konditionen mit den Brauereien einigen können und in der Woche drei bis vier Konzerte veranstalten, von bekannteren Bands, dann sollte es klappen. Und wenn ein DJ auflegt, nehmen wir jetzt immer Eintritt. Danke für den Tipp übrigens.«
Das Geschwafel vor dem Sturm, so kenne ich meine beste Freundin. Sie ist ganz kurz davor, zu explodieren. Und das soll mir nur recht sein. Sie soll mich jetzt anschreien, mir vorhalten, dass ich fünf Tage lang nicht erreichbar war für sie, und dann schreie ich zurück, was sie sich einbildet, unsere Kneipe wie einen Edelpuff auszustatten, während ich wirklich dringende Sachen zu klären hatte. Darauf wird sie keine Antwort wissen, sondern einfach den restlichen Kacklack aus dem Putzschrank nehmen und durch die Gegend schleudern. Und wir werden uns darin wälzen und halb tot lachen, und diese kranke Sanitäranlage wieder abreißen, genau. Aus diesem Grund hat Katja auch die olle Jeans angezogen, ha. Aber Katja ist noch immer ganz ruhig: »Hast du schon mit Gunnar geredet?«, fragt sie jetzt und wischt sich dabei eine Träne aus dem Augenwinkel. Vor dem Spiegel, damit sie ihre Wimperntusche nicht verwischt.
»Nein, noch nicht.«
Katja krallt sich am Waschbecken fest. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis sie platzt. Vielleicht reißt sie das Becken mit bloßen Händen aus der Wand. Aber sie tut etwas anderes. Sie lässt das Becken wieder los und schaut mich endlich an: »Ich habe aber mit Gunnar geredet, Doki. Er hat mir alles erzählt, von damals, von dir. Wie hast du mich die ganze Zeit über anlügen können, wie?«
Das ist nicht fair: »Ich habe dich nicht angelogen, ich habe dir gesagt, dass mein Vater einen Unfall hatte, und …«
Jetzt, jetzt – lacht Katja doch tatsächlich. Und schüttelt den Kopf, als hätte ich ihr gerade erzählt, dass wir unfassbar reich sind. Aber dazu bin ich ja noch gar nicht gekommen, und werde es auch nicht, denn Katja redet: »Doris, es ist mir egal, was mit deinem Vater war. Ich hätte es gerne von dir gehört, vor zehn Jahren, aber jetzt nicht mehr. Es ist mir auch wurscht, dass du dein Handy ausgeschaltet hast, ich meine, was hatte ich erwartet, das tust du ja immer, wenn’s wichtig ist.
Das ist jetzt alles komplett egal. Du bist mir egal. Ich habe mich immer um dich gekümmert, immer, die ganze Zeit, ich habe dir zugehört, dein Chaos ertragen, ich habe dir Geld geliehen, ach was, geschenkt, und du, du benimmst dich einfach immer noch wie ein Kleinkind. Nein, schlimmer. Du benimmst dich wie ein doofer Teenie, so, als wäre alles ein Witz, und wenn was schiefgeht, dann kommt Tante Katja und regelt alles wieder. Und weißt du was? Ich habe jetzt ein letztes Mal alles geregelt, und das war’s jetzt. Ich kann das nicht mehr. Ich bin nicht deine Mutter.«
Das letzte stimmt. Zum Glück. Das davor stimmt nicht, oder nur zum Teil. Ich sollte Katja jetzt sagen, dass zu so einer Sache, die wir wohl jahrelang Freundschaft genannt haben, immer zwei gehören. Wir könnten konstruktiv über ihre vorgetragenen Streitpunkte diskutieren, das haben wir nie ernsthaft getan. Nie länger als fünf Minuten, oder bis es wieder Zeit für eine Zigarette, ein Bier, oder eine blöde Fernsehserie war. Aber
Weitere Kostenlose Bücher