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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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er was erleben.
    Ich stehe auf und gehe über den Hausflur zur Nachbartür.

XL
    G unnar reißt die Tür auf und scheint überrascht, mich zu sehen. Hatte wohl jemand anderen erwartet. Jetzt klappt er den Mund wieder zu, aber die Tür lässt er wenigstens geöffnet. Er fuchtelt mit den Händen herum, eine Mischung aus einladender und entschuldigender Geste.
    Ich trete ein, Schiwago springt bei meinem Anblick auf und zischt wie angestochen unter die Couch. Gunnar blickt ihm hinterher, neidisch.
    Aber statt sich ebenfalls unter der Couch zu verstecken, setzt er sich drauf. Quetscht sich in die Ecke, umschlingt seine Beine, neunzig Kilo Unbehagen in zu kurzen Jogginghosen. Es ist Raffis Jogginghose, dieselbe, die Katja neulich trug.
    Gleich muss ich kotzen.
    Gunnar missdeutet meinen Gesichtsausdruck, beeilt sich zu sagen: »Ich bin morgen hier weg, Doris.«
    Ich muss doch nicht kotzen, sondern schnauben: »Ja klar, das kannst du ja am besten, abhauen.«
    Ich bin doch voll und ganz die Tochter meiner Mutter, aber Gunnar fällt das gar nicht auf. Aber immerhin hat er eine Ahnung, dass ich so eine Ahnung habe, und bringt einen Gunnar-Spruch: »Ist alles beschissen gelaufen, was?«
    Wow. Versucht er da ein Lächeln? Erwartet er jetzt, dass ich zurücklächle und so etwas von mir gebe wie: »Ja, du hast verdammt recht, Alter. Kommt ja immer anders als man denkt, das Leben, da macht nix. In zwanzig Jahren lachen wir darüber, wie wir versucht haben, eine Woche lang eine Kneipe zu führen. Tja, dann halte die Ohren steif.«
    Aber so kommt er mir nicht davon: »Was ist denn so gelaufen, Gunnar?«
    Er starrt seine Füße an, so, als hätte er sich dort eine Geheimformel notiert, eine Presseerklärung, oder was weiß ich. Er ringt mit sich, aber ich gebe ihm keine weitere Hilfestellung. Jetzt will ich alles hören, von Anfang an.
    »Also: Katja und ich, wir haben uns bei einem Konzert in Chemnitz kennengelernt, vor zwei Monaten, aber da wusste ich gar nicht, wer sie ist, und sie hat mir auch gesagt, dass sie einen Freund hätte, eigentlich …«
    Oh Scheiße, ich will das doch nicht hören, aber jetzt legt Gunnar los, ich bekomme den abgeschlossenen Herzschmerz-Roman aus Das goldene Blatt zu hören: »… und wir hatten uns auch gar nicht verabredet hier. Ich dachte, dass sei damals eine einmalige Sache gewesen. Und dann, im »Dead Horst« habe ich dich gesehen, und da war ich auch wirklich wieder so was wie verliebt in dich. Ich war total durcheinander.«
    Guck mich nicht so an, wenn du so was sagst, Gunnar. »So was wie verliebt« und »durcheinander« ergibt zusammen nichts anderes als Hormonkarussell, und aus dem bin ich offenbar ziemlich bald rausgeflogen. Gunnar rauft sich die Haare.
    »Es war echt nicht geplant. Katja wollte ja Andi heiraten, aber das hat sie an dem Abend nur gesagt, weil sie dachte, du und ich wären wieder zusammen.«
    Merkwürdig, das dachte ich auch. Wir haben tatsächlich unglaublich viel gemeinsam, meine ehemalige beste Freundin und ich. Zum Beispiel können wir es beide nicht ertragen, wenn unser jeweiliger Gesprächspartner sich wie ein fünfzehnjähriges Mädchen verhält und sich in tausend Ausflüchte verstrickt, um bloß nicht zu Verantwortung gezogen zu werden. Ich werde das jetzt beenden:
    »Liebst du Katja?«
    »Ja. Sehr.«
    Er hat nicht gezögert. Keinen Wimpernschlag lang. Applaus, Applaus. Aber dafür bin ich zu müde. Wenn ich mich sehr, sehr zusammenreiße, kriege ich das jetzt hin, bevor ich zusammenklappe. »Dann geh zu ihr. Schnell.«
    Sehr schnell, bitte, bevor ich mir das anders überlege. Oder jemand heiratet, Häuser kauft oder sonstigen Blödsinn verzapft.
    Gunnar steht auf, kommt auf mich zu, mit diesem ganz weichen Blick in den Augen: »Ich muss dir noch was sagen, wegen …«
    »Lauf, Forrest, lauf!«, lautet meine letzte Empfehlung an ihn. Und er rennt los. Barfuss. Sekunden später schon höre ich die Haustür zuknallen, kurz danach eine Autohupe. Dann ist es still.
    Schiwago kriecht unter der Couch hervor und speit mit Todesverachtung einen Haarballen vor meine Füße. Nach vollbrachter Tat setzt er sich aufrecht hin und blitzt mich auffordern an. Ich beginne, diesen Kater zu mögen.
    Um ihm das zu zeigen, lade ich ihn zu mir nach Hause ein.
    Nachdem wir unsere Differenzen endlich beigelegt haben, folgt mir Schiwago neugierig über den Hausflur, bleibt aber wie vom Donner gerührt vor der Wohnungstür stehen. Miau, genau so sieht es da aus. Ein Katzenparadies. Hundert

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