Betreutes Trinken
den vielleicht gar nicht sehen, vor allem: ›demnächst‹, ist doch alles doof, der hat mich geküsst, und nun ist er in Pforzheim, ich habe ihn gar nicht gefragt, warum er nicht mehr bei der Parkett-Uschi ist, und er hat mich auch gar nichts gefragt … ah!«
Ich bin ganz kurz davor, an meinem Daumen zu nuckeln.
»Doki, du redest wirr. Was willst du denn jetzt, und was nicht? Zurück ins Wasser oder bei Mama auf dem Schoß heulen?«
Habe ich Katja die Geschichte tatsächlich mal erzählt? Natürlich.
»Ich will, dass Gunnar sich bei mir meldet«, schniefe ich trotzig, und genau darum geht es. Er ist dran, Punkt.
Katja seufzt: »Also, wenn ich es jetzt mal mit meinen rudimentären Psychologiekenntnissen in Klein-Doki-Sprache zurückübersetzen soll: Die Mama soll jetzt ins Wasser springen, dich ein wenig herumjagen, aber vor allem dabei bis ans Ende aller Zeiten sagen: ›Hui, wie toll die kleine Doris schon schwimmen kann! Die hole ich ja nie ein!‹ Richtig?«
Total richtig und entsprechend entwürdigend. Also stelle ich Katjas Theorie ein Bein, damit sie hinken muss: »Nein, doch, fast. Also, Gunnar ist in diesem Schwimmbad-Gleichnis nicht meine Mama, sondern doch eher … das Wasser?«
Katja stöhnt: »Das ist jetzt selbst mir zu kitschig, Alte.«
»Nun ja, gechlortes Wasser. Gefährlich. Und ein bisschen abgestanden«, schlage ich kompromissbereit vor, Katja stöhnt lauter.
»Süße, mir ist egal, ob dein Gunnar nun das Babybecken oder der Bademeister ist, aber du kommst keinen Schritt weiter, wenn du nicht irgendetwas tust.«
»Bloß nicht irgendetwas«, beschwöre ich Katja, aber sie lässt sich nicht bremsen: »Finde seine Nummer heraus, ruf ihn an oder lass es. Aber verschwende bloß nicht eine ganze Woche darauf, dass er sich meldet, oder aus Pforzheim zurückkommt. Mach was mit deiner Zeit, um Gottes Willen. Lade ein paar heiße Typen zur Arbeit ein, um den ollen Mädchenprobetag zu boykottieren, oder such dir besser gleich einen neuen Job. Du weißt schon: Lieber einmal einen Kahlschlag beim Friseur riskieren, als ewig das wartende Rapunzel zu spielen, oder?«
Genau das habe ich gebraucht. Einen persönlichen Drillsergeant, der mich mit Weisheiten aus der Cosmopolitan traktiert. Noch schmerzlicher treffen mich diese goldenen Worte, weil sie von der Frau präsentiert werden, die sich bald wegen ihres Geldes heiraten lässt.
Sie hat nicht nur jedes Recht der Welt, sondern auch die unbedingte Aufgabe als Freundin, mir mit ihren Leopardenkunstfell-Stiefeletten in den Hintern zu treten.
»Wird gemacht, Ma’am!«, schniefe ich also. »Außerdem habe ich tatsächlich eine Menge zu tun. Ich muss was Interessantes mit Drogen vorbereiten und für die Bands im ›Horst‹ kochen«, fällt mir ein, und Katja quittiert diese Wochenvorschau mit einem schiefen Lächeln: »Ich hoffe, dass es sich da nicht um ein und dieselbe Tätigkeit handelt, mein Herz.«
Das hoffe ich auch. Wir umarmen uns, und als ich schon wieder im Treppenhaus stehe, fällt mir ein, dass ich schon wieder etwas völlig verdrängt habe: »Tschüss, Andi! Bis bald! Sieh’ zu, dass dein Smoking dir wieder passt bis zur Hochzeit!« kreische ich durch die Wohnungstür, und Andi brüllt zurück: »Schnauze, oder wir feiern doch im ›Luftschloss‹!«
Frau Liedtke erklärt diese herzerweichende Abschiedsszene per Besenstil für beendet.
Ich bin mir sicher, dass Katja und Andi ihren Hausdrachen vermissen werden, wenn sie erst mal ausgezogen sind. Dieses aufgebrachte Morsen mit dem Besenstil ist wirklich putzig. Oder auch »herrlich old school«, wie sich das Brautpaar wahrscheinlich ausdrücken würde.
Darüber würden sie dann herzlich lachen, ihre Batzen liebkosen, und Frau Lietke könnte sich für den Rest ihres Lebens in dem Gefühl sonnen, die unliebsamen Nachbarn durch stetiges Pochen vertrieben zu haben.
So hat doch jeder was von der Weiterentwicklung. Vielleicht sollte ich auch mal an dieser Veranstaltung teilnehmen.
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M ontags finden grundsätzliche keine Konzerte im »Dead Horst« statt, also nutzen wir diesen Abend gerne für moderne Ritterspiele. Der Grundaufbau ist immer derselbe: Die üblichen Verdächtigen sitzen an der Bar und schmachten Marie an. Auf unterschiedlichste Weise buhlen sie um ihre Gunst, doch ganz gleich, welche Mühen die stolzen Recken aufbringen, alle bekommen von Marie nur denselben Dank: ein Lächeln, nicht mehr. Aber durch das kurze Aufblitzen ihrer kleinen Zahnlücke werden die meisten Anwärter
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