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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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so sehr angestachelt, dass sie sich zu Höchstleistungen auf ihrem jeweiligen Fachgebiet aufschwingen.
    Der erste Zweikampf des Abends wird von Holger und Felix bestritten, eine ungleiche Paarung, die interessant zu werden verspricht. Holgers Trümpfe wirken auf den ersten Blick unschlagbar: Erstens ist er Finanzbeamter und hat nicht nur der halben Kundschaft, sondern auch das »Dead Horst« schon über die Hürden einer Steuererklärung gehievt. Beziehungsweise hat er dem Kneipenmanagement ganz behutsam erklärt, dass wir tatsächlich in einer Staatsform leben, die Steuern eintreibt.
    So wurden Holger auch schon Privataudienzen mit Marie gewährt – nur sie, er und ein Berg von Quittungen. Es dürfte also geknistert haben zwischen den beiden. Leider nicht auf die von Holger erhoffte Weise, denn natürlich hat auch er eine Achillesverse. Einen Achilleskörper viel mehr, denn wer vierzehn Jahre am Schreibtisch hockt, sieht irgendwann auch so aus. Ein schlaffer Wanst, der durch Holgers Kleiderwahl optimal betont wird, gepaart mit einer Halbglatze und einem Brillengestell, das der Optiker, der es Holger vor zwanzig Jahren aufgeschwatzt hat, bestimmt als ›pfiffig‹ tituliert hat, lassen ihn auf dem Schlachtfeld nicht gerade glänzen.
    Dass er überhaupt antritt, mag in Holgers realistischer Selbsteinschätzung gründen: »Wenn ich eh’ keine abkriege, kann ich mir auch von der Schönsten einen Korb abholen.«
    Schon daher ist Holger ein Gegner, mit dem immer zu rechnen ist; heute darf er vorlegen: »Äh, Marie, ich habe mir was überlegt, wie ihr bestimmt eine Menge Geld sparen könntet, mit der Deklarierung der Getränke, da gibt es ein ziemlich schlaues System, fast völlig legal …«
    Weiter kommt er nicht, denn Marie beugt sich ehrlich interessiert zu ihm herüber, und so eine direkte Hingabe kann er nicht verkraften. Er reißt seine Brille von der Nase und fängt an, diese wie wild zu putzen, und da Felix, sein Gegner, um Holgers vorrübergehende Blindheit weiß, nutzt er den Zeitpunkt zum Angriff: »Marie, kann ich noch ein Pils haben? Ich zahl’s am Samstag, versprochen.«
    Dieses kleine Luder, denke ich, aber damit hat Felix sich zu weit aus dem Fenster gelehnt, viel zu dick aufgetragen für die Uhrzeit. Dass dieser Einstieg eine Nummer zu groß war, bestätigen mir auch die Blicke der anderen anwesenden Frauen in der zweiten Thekenreihe sowie Marie selbst. Statt Felix ein sorgenvolles Lächeln zu schenken, seufzt sie auf: »Ach Felix, am Samstag bist du gar nicht in der Stadt, also: Trink soviel du willst, ich schreib’s auf und du zahlst es nächste Woche, okay?«
    Marie knallt Felix eine Bierflasche vor die Nase. Auf den Rängen macht sich Unruhe breit: Sollten wir gerade ein klassisches k.o. durch einen Doppelfehler in der Eröffnung beobachtet haben, oder wird der junge Felix diesen Patzer wieder ausbügeln können?
    Und wie immer besteht die Möglichkeit, dass Holger seine Chance jetzt komplett selbst verbockt oder ein neuer Edelmann auf der Bildfläche erscheint, der … Albert heißt.
    »Hallo, die Damen, die Herren, guten Abend, oh Krone der Schöpfung, gebenedeit seiest du unter den Frauen, lass all diesen Dreck und Unbill hinter dir und folge mir auf eine Reise ins Ungewisse!«, grüßt Albert, alle stöhnen auf, nur Marie – lächelt.
    »Ein Gin Tonic, wie immer?«, grüßt sie zurück, und Albert schließt genießerisch die Augen, lässt sich auf den Barhocker zu meiner Rechten sinken und wendet sich ans Publikum: »Diese Frau kann in meinem Gesicht lesen wie in einem Buch, ihr seid es nicht wert, von ihr bewirtet zu werden! Ach, hey, Doki, du auch hier, du zweitschönste Blume auf der Wiese meines Lebens!«
    Bevor ich so etwas Dämliches wie »Ja« erwidern kann, krabbelt Holger aus seiner Ecke. Mit frisch geputzter Brille fixiert er Albert und berichtigt: »Du meinst wohl: drittschönste Blume.«
    Alle nicken, und ich nehme den Kommentar nicht allzu persönlich, weil Holger nun mal beruflich mit Zahlen zu tun und ganz eindeutig recht hat.
    Wie wir alle wissen, ist Albert nicht nur Schauspieler und Schwerenöter, sondern auch noch verheirateter Familienvater. Um Marie wirbt er nur der Gewohnheit halber, kann aber, wenn herausgefordert, genauso ein Erbsenzähler wie Holger sein: »Mein lieber, treuer Amtsschimmel«, wendet er sich nun belehrend an den Finanzmann, »da ich treusorgender Vater einer grandiosen Tochter bin, sollten wir uns doch darauf einigen, dass Doki dann wohl nur die

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