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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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jawoll.
    Lange hat er verbissen für den unwahrscheinlichen Fall trainiert, dass ein Remake von Rocky IV gedreht wird und er für den Part des Drago vorsprechen darf. Leider legte er keine Muskeln zu, sondern wurde nur sehniger, geradezu dürr, seine Wangenknochen stachen hervor. Als mich eine flüchtige Bekannte fragte: »Seid Andi und du eigentlich nur Geschwister oder Zwillinge?«, hob das meinen Wunsch, anders als Andi auszusehen, auf ein ganz neues Niveau.
    Da ich plastische Chirurgie ablehne, musste ich zu anderen Mitteln greifen.
    So ist es also mehr oder weniger Andis Schuld, dass ich mein weizenblondes Haar gefärbt habe. Und zwar pink. Dann schwarz, weißblond, rot, alles durcheinander. Mein Nasenring, meine kruden Tätowierungen, meine ausgelatschten Stiefel, die laufmaschigen Strumpfhosen sind damit keineswegs eine späte Blüte pubertärer Auflehnung, sondern einzig und allein der Versuch, nicht mehr so auszusehen, als hätte ich mit Katjas Andi in einem Genpool geplanscht.
    Überflüssig zu erwähnen, dass wir füreinander unsere schärfsten Kritiker sind.
    Bis wir ein paar selbstgebrannte Schnäpse getrunken haben. Dann wollen wir immer Polka tanzen, über Spargelrezepte diskutieren, Trecker fahren oder kleine Menschen hochheben, um sie an Dachrinnen aufzuhängen.
    Das findet Katja wiederum nur bedingt lustig, also bleibt Andi der smarte Banker, der es geschafft hat, und ich die bunte Struwwelpetra, die immer etwas geschafft aussieht.
    Vor allem, wenn ich gerade an einem Keks zu ersticken drohe.
    »Doki, alles klar? Der Andi meinte das nicht so, der ist nur ignorant. Er hat keine Ahnung davon, in was für einem Irrenhaus du arbeitest. Du kennst ihn doch, der plappert gerne Unsinn, wenn der Tag lang ist.«
    Katja ist sich sehr wohl bewusst darüber, dass ihr zukünftiger Ehemann noch anwesend ist, das merke ich daran, wie sie ihm tadelnde Blicke zuwirft. Aber ihr Andi scheint weder durch die verbale Attacke noch durch Katjas Killerblick getroffen zu sein, er ist viel zu sehr damit beschäftigt, seine Frisur auf Freizeitmodus umzufrisieren. Tatsächlich verstrubbelt er sein Haar hierfür nicht, sondern legt noch etwas sündteure Pomade nach, alsdann tauscht er das fesche Designerbrillengestell gegen die riesige Original-50er-Jahre-Hornbrille aus und öffnet das Jackett. Andi läutet seit Jahren seinen Feierabend mit diesem Ritual ein, und anfangs sah er nach dieser kurzen Verwandlung auch tatsächlich aus wie Buddy Holly. Aber mittlerweile wird er nachlässig beim Training, sein Wohlstandsbäuchlein lugt frech über den Hosenbund. Er gleicht nun eher dem nicht mehr ganz jungen Heinz Erhardt.
    »Igitt, Andreas zieh die Wampe ein, wir essen gerade«, stöhnt Katja und piekt mit spitzem Fingernagel in den Ballon, der sich unter Andis Hemd abzeichnet. Andi rülpst. Wie soll das erst werden, wenn die beiden verheiratet sind?
    »Ach ja, wir haben uns das mit der Hochzeit übrigens noch mal überlegt«, erweist sich Katja als telepathisch zuverlässig, und ich werfe die Kekspackung vor Freude in die Luft. Alle Kekse landen mit der Schokoladenseite nach unten auf dem Teppich, aber keiner beachtet meine Meisterleistung: »… äh, also, von wegen kleiner Kreis, das können wir echt nicht bringen«, fährt Andi fort und klaubt sich eines der verunfallten Plätzchen vom Flokati. »Ja, wir müssen halt die Familien einladen, und dann wollen wir doch auch Freunde dabei haben …«
    »… und ein paar Leute von der Arbeit«, erklärt Katja. Sie fegt Andi den Keks wieder aus der Hand.
    Es ist eine Sache, wenn Paarhälften gegenseitig ihre Sätze beenden, aber müssen sie gleich so entsetzliche Geschichten zusammenstricken? Andi lehnt sich zurück und verkündet abschließend:
    »Und jetzt habe ich nachgefragt. Wir können wohl im September das »Luftschloss« mieten. Da sind welche abgesprungen.«
    Katja und ich schreien auf.
    »Oh Gott, oh Gott, bitte, lass das einen Scherz sein«, bete ich, und auch Katja entrüstet sich: »Andreas, das ist nicht dein Ernst? Das »Luftschloss«? Dieser ekelhafte Nobelpuff, dieser Prosecco-Schlampen-Schuppen, wo nur blondgesträhnte Yuppietanten feiern, diese überteuerte Kitschbude?«
    Andi ist bleich geworden: »Aber du liebst doch Kitsch, Baby.«
    Katja springt von der Couch auf, rast hinüber zu Andi und – umarmt ihn. Ihr Quietschen gleicht dem einer Bande hysterischer Brautjungfern – blond gesträhnter Brautjungfern selbstredend.
    »Wie geil, wie geil«, brabbelt sie nun,

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